Gustl Mollath ist Opfer eines der größten Justizskandale der jüngeren bayerischen Geschichte.

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München – Der zu Unrecht gegen seinen Willen mehr als sieben Jahre in der Psychiatrie untergebrachte Gustl Mollath bekommt vom Freistaat Bayern 600.000 Euro. Es sei eine entsprechende gütliche Einigung zwischen dem heute 63-jährigen Mollath und Bayern erzielt worden, teilte das Landgericht München I am Dienstag mit.

Das Land zahle das Geld ohne Anerkennung einer Rechtspflicht. Damit kann ein im März begonnenes Verfahren abgeschlossen werden. Mit der gütlichen Einigung akzeptierten beide Seiten nun doch einen Kompromissvorschlag, den das Landgericht bereits im Zusammenhang mit dem Prozessauftakt im März vorgelegt hatte. Damals forderte Mollath 1,8 Millionen Euro zuzüglich einer Entschädigung für mögliche gesundheitliche Spätfolgen seiner Unterbringung. Bayern hatte ihm 70.000 Euro bezahlt und sah keine weiteren Ansprüche.

Justizskandal

Der Fall gilt als einer der größten Justizskandale der jüngeren bayerischen Geschichte. Mollath war im Jahr 2006 nach einem Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen seine ehemalige Frau wegen angeblicher Wahnvorstellungen zwangseingewiesen worden. Der Scheidungskrieg der beiden war eskaliert. Mollath hatte seiner Frau vorgeworfen, als Kundenberaterin einer Bank im großen Stil an Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz beteiligt zu sein. Sie hatte ein Attest eingeholt und gedroht, ihn in die geschlossene Psychiatrie zu bringen.

Mollath kam erst 2013 nach 2.747 Tagen frei. Das Wiederaufnahmeverfahren hatte ergeben, dass seine Vorwürfe gegenüber seiner Frau keine Wahnvorstellungen, sondern im Kern zutreffend waren.

Europäische Menschenrechtskonvention

So sagte auch der Vorsitzende Richter zu Beginn des Zivilprozesses im März, dass das Urteil 2006 durch eine "Vielzahl von Verfahrensfehlern" zustande gekommen sei. Hätte Mollath schon damals Revision eingelegt, wäre das Urteil aufgehoben worden. Mollath hatte allerdings über seinen Pflichtverteidiger nur eine Rüge vorgebracht, was nicht ausreichte. Mollath begründete das auch damit, in der Psychiatrie keine Möglichkeiten gehabt zu haben, seine Rechte einzufordern.

Seine Klage hatte Mollath mit Amtshaftungsansprüchen gegen Richter, Staatsanwälte und Beamte begründet. Das Gericht erklärte, für Amtshaftungsansprüche müsse eine Rechtsbeugung – also die vorsätzlich falsche Anwendung des Rechts – nachgewiesen werden, was in diesem Fall schwierig sei. Allerdings greife bei Mollath Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach diesem stehe ihm Schadensersatz zu. Das Gericht schlug 600.000 Euro vor. Ein Rechtsvertreter des Freistaats Bayern nannte diesen Vorschlag im März noch "eigentlich nicht vertretbar". Das dürfte sich nun geändert haben.

Spätfolgen

Mollath sagte zu Prozessbeginn, dass ihn die Jahre der Unterbringung bis heute verfolgen. In der Psychiatrie sei er von den Kontrollgängen des Personals jahrelang jede Nacht und teilweise im Stundentakt geweckt worden. Das belaste ihn bis heute. "Ich habe siebeneinhalb Jahre nicht richtig geschlafen." Er "wache jede Nacht schweißgebadet auf".

Mollath konnte bis März weder einen festen Beruf noch einen festen Wohnsitz finden. Er wohne bei Freunden, die ihn aufnehmen. Meistens halte er sich dabei außerhalb Bayerns auf. (APA, AFP, red, 12.11.2019)