Eine neue Methode gegen Haarausfall setzt auf Eigenblut. An der Wirkung darf gezweifelt werden, die Studienlage ist widersprüchlich.

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Das allmähliche Schwinden der eigenen Haarpracht durch erblich bedingten Haarausfall bedeutet für viele Betroffene großen Stress und kann sich erheblich auf die Lebensqualität schlagen. Gilt doch volles Haar auf dem Kopf als Zeichen von Jugendlichkeit und Schönheit. Für einen Teil der Männer und Frauen ist es zum Haareraufen, sofern sie dafür noch genügend haben: Wenn sich auf dem Kopf die Haare immer mehr lichten, steht zwar eine Reihe von Medikamente zur Verfügung, doch die Mittelchen helfen längst nicht jedem und bringen Nebenwirkungen mit sich. Zum einen etwa Minoxidil, das man auf die Kopfhaut aufträgt. Zum anderen Finasterid, das man als Tablette einnimmt. Gerade Finasterid ist über die Jahre mehr und mehr in die Kritik geraten. Zumindest in Einzelfällen scheint der Wirkstoff nämlich zu Depressionen und Störungen der Sexualfunktion zu führen, die teilweise auch noch nach Absetzen des Medikaments anhalten.

Seit einiger Zeit machen Dermatologen den Patienten neue Hoffnung, indem sie eine Therapie mit Eigenblut anbieten. Der Arzt entnimmt dem Patienten zu diesem Zweck zunächst mit einer Spritze Blut aus dem Arm. Dieses wird dann zentrifugiert, um es in verschiedene Bestandteile wie rote Blutkörperchen und Plasma zu zerlegen. Durch die Aufbereitung gewinnt der Dermatologe Plasma mit einer erhöhten Konzentration an Blutplättchen, sogenanntes plättchenreiches Plasma.

In den Blutplättchen stecken rund 20 unterschiedliche Wachstumsfaktoren. Diese Faktoren sollen den absterbenden Haarfollikeln neues Leben einhauchen. Der Hautarzt spritzt dem Patienten das plättchenreiche Plasma mit einer Pistole zwei bis drei Millimeter tief in die Kopfhaut. Eine Betäubung der Kopfhaut ist aufgrund des schnellen, weitgehend schmerzlosen Einstechens nicht nötig.

Widersprüchliche Ergebnisse

In einer kürzlich im Fachblatt "Aesthetic Plastic Surgery" erschienenen systematischen Übersichtsarbeit nahmen Forscher um den Dermatologen Weixin Fan von der chinesischen Nanjing Medical University elf Studien zum Thema unter die Lupe. Ihr Fazit: Acht von elf Studien deuten darauf hin, dass das plättchenreiche Plasma bei der Behandlung von erblich bedingtem Haarausfall wirksam ist und wahrscheinlich den Haarausfall reduziert und den Haardurchmesser und die Haardichte erhöht. Allerdings geben sie auch zu bedenken, dass die Mehrzahl der Studien methodische Schwächen aufwies und oftmals nur eine geringe Zahl von Patienten untersucht worden war.

"Zur Behandlung von erblich bedingtem Haarausfall mit plättchenreichem Plasma wurden in den letzten Jahren einige Studien durchgeführt", sagt der Mediziner Paul Gressenberger von der Med-Uni Graz. "Die Ergebnisse fielen unterschiedlich, aber eher positiv aus." Allerdings fiel auch Gressenberger ins Auge: Mit den positivsten Ergebnissen warteten ausgerechnet die Studien auf, die methodisch schwächer waren. In ihnen hatte man die Wirkung von plättchenreichem Plasma nicht mit einer Kontrollgruppe verglichen, die lediglich eine Placebobehandlung bekam.

Die nicht ganz eindeutige Studienlage war für Gressenberger und seine Kollegen der Anlass, an der Med-Uni Graz eine eigene Untersuchung durchzuführen, deren Ergebnisse voraussichtlich Ende des Jahres veröffentlicht werden. "Diese klinische Prüfung soll dazu beitragen, dieser Form der Eigenbluttherapie entweder evidenzbasierten Hintergrund zu verleihen oder gegebenenfalls ihre Wirkungslosigkeit zu untermauern."

Teure Behandlung

Bei der Zubereitung von plättchenreichem Plasma handelt es sich im Grunde um die Herstellung eines Arzneimittels. Deshalb müssen für eine Zulassung bestimmte Auflagen erfüllt werden, so Gressenberger. Große Studien, die im positiven Fall eine Zulassung ermöglichten, gebe es noch nicht. "Einige Ärzte bieten die Behandlung aber bereits off-label an."

Im Internet kursieren Preise von rund 400 Euro pro Injektion. Mit einer einmaligen Injektion ist es dabei nicht getan. Für optimale Ergebnisse braucht es mindestens drei Sitzungen im Abstand von einem Monat. Nach sechs Monaten wird dann eine Auffrischung empfohlen. "Sofern wirklich eine Wirkung nachgewiesen werden kann, müsste man die Behandlungen sogar alle vier bis sechs Wochen auffrischen", glaubt Gressenberger. Bei erblich bedingtem Haarausfall handelt es sich schließlich um eine mit dem Alter fortschreitende Erkrankung.

Einen großen Vorteil kann die Behandlung mit plättchenreichem Plasma auf jeden Fall für sich verbuchen. Da Eigenblut zum Einsatz kommt, sind Infektionen und Reaktionen des Immunsystems unwahrscheinlich. Häufige Nebenwirkungen sind Hämatome, Rötungen und Schwellungen nach den Injektionen in die Kopfhaut. Und die lassen auch wieder nach. Vielleicht hilft plättchenreiches Plasma ja dabei, dass sich in Zukunft weniger Menschen wegen ihrer lichter werdenden Mähne die Haare raufen. (Christian Wolf, 30.11.2019)