Der ehemalige Fed-Vorsitzende und Obama-Berater Paul Volcker ist im Alter von 92 Jahren gestorben.

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Kaum eine andere Persönlichkeit hat die Finanz- und Wirtschaftswelt von heute so stark geprägt wie Paul Volcker. Als Präsident der US-Notenbank Federal Reserve von 1979 bis 1987 beendete er die Phase hoher Inflationsraten und leitete die Ära der Preisstabilität ein, die bis heute existiert. Und nach dem Kollaps von Lehman Brothers und dem Ausbruch der Weltfinanzkrise spielte Volcker als Berater von Präsident Barack Obama eine entscheidende Rolle bei der Schaffung strengerer Regeln für die Wall Street.

Volcker ist am Sonntag im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in New York an den Folgen von Prostatakrebs gestorben.

Der Nachfahre deutscher Einwanderer war ein hochrangiger Beamter im US-Finanzministerium und Mitglied der Demokratischen Partei, als ihn Präsident Jimmy Carter inmitten einer schweren Finanzkrise an die Spitze der Fed holte. Die Inflation in den USA betrug damals 13 Prozent.

Der Zusammenbruch des festen Wechselkurssystems von Bretton Woods und der Ölpreisschock von 1973/74 hatten die Geldentwertung befeuert und Inflationserwartungen tief in der Gesellschaft verankert. Steigende Preise galten damals als größtes Problem der Wirtschaft und nagten an Carters Popularität. Auch in Europa litten zahlreiche Staaten an ständig steigenden Inflationsraten. Die Notenbanken, die für stabile Preise sorgen sollten, waren großteils hilflos.

Monetarismus und hohe Zinsen

Volcker nahm sich des Problems entschlossen an. Er verkündete einen Kurswechsel in der Fed-Politik: Von nun an würde die US-Notenbank der Monetarismus-Lehre des konservativen Ökonomen Milton Friedman folgen und das Wachstum der Geldmenge kontrollieren. Dies würde durch eine Erhöhung der Leitzinsen geschehen.

Die monatliche Veröffentlichung der Geldmengen-Zahlen wurden zum wichtigsten finanzpolitischen Ereignis. War die Menge zu sehr gestiegen, schossen die Zinsen weiter in die Höhe. Die Fed brachte das Geldmengenwachstum fast nie in den gewünschten Korridor und gab die Bemühungen schließlich auf. Aber die hohen Zinsen von mehr als 20 Prozent wirkten: Die Inflation ging deutlich zurück. Hauptursache war allerdings die Rezession, die Volckers Geldpolitik verursacht hatte. Und diese dürfte zu Carters Niederlage gegen den Republikaner Ronald Reagan im November 1980 entscheidend beigetragen haben.

Mächtig und starrköpfig

Der 2,01 Meter große Hüne galt damals als zweitmächtigster Mann der USA und war zeitweise die meistgehasste Person der USA. Aber starrköpfig blieb er dabei, dass nur eine anhaltende Hochzinsphase die Inflation auch nachhaltig bekämpfen könne. Rückblickend gab ihm die Geschichte recht. Doch die hohen US-Zinsen hatten auch außerhalb der USA dramatische Folgen, etwa die Schuldenkrise in Lateinamerika, die 1983 ausbrach.

Volcker wurde von Reagan 1983 wiederbestellt, dank der niedrigeren Inflation lockerte die Fed allmählich die Geldpolitik. 1987 folgte Alan Greenspan, ein Republikaner, ihm an der Fed-Spitze nach. Auch er hielt die Inflation weiterhin im Schach, aber nahm mehr Rücksicht auf die Aktienmärkte, die hohe Zinsen nicht schätzen. Seine zeitweise lockerere Geldpolitik war einer der Gründe für die Weltfinanzkrise von 2008.

Strikte Regeln für die Banken

Volcker ging nach der Fed in die Privatwirtschaft und wurde später Chef der Investmentbank Wolfensohn & Co. 2009 holte Obama ihn als Berater für die Regulierung der Finanzindustrie. Nach ihm ist die Volcker-Regel benannt, ein Kernstück von Obamas Finanzmarktreformen, die strenge Regeln für Geschäftsbanken bei riskanten Spekulationsgeschäften einführte.

Volcker hatte wenig Geduld für Wirtschaftsprofessoren und bezog seine Weisheit eher aus der Praxis. Aber er war auch ein harter Kritiker der modernen Bankenkultur und ihrer zu komplexen Produkten und riskanten Geschäfte. Diese habe nichts zum Wirtschaftswachstum beigetragen, kritisierte er im Dezember 2009. "Die einzige sinnvolle Finanzinnovation der letzten 20 Jahre war der Bankomat", sagte er.

Nach der Wahl von Präsident Donald Trump verlor Volcker rasch an Einfluss. Seine strengen Regeln wurden Schritt für Schritt wieder aufgeweicht.

Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Volcker 2010 mit 83 Jahren seine langjährige Assistentin. Er hinterlässt zwei Kinder. (Eric Frey, 10.12.2019)