In Schwarz gehen: Sonja Högler in der Rauchfangkehrerkluft am Weg zur Kehrung.

Ich bin in eine Rauchfangkehrerfamilie hineingeboren, sonst wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen, Rauchfangkehrerin zu werden. Ich habe das quasi mit der Muttermilch mitbekommen, die ganzen Kehrbesengeschichten, die Probleme mit den Leuten. Früher gab es noch viel mehr Kohle-, Koks- und Holzöfen, und da gab es während der Winterzeit oft Probleme – das funktioniert nicht, da raucht es rein. Da gab es dann hektische Anrufe von Kunden, und es musste schnell reagiert werden. Das alles habe ich von klein auf mitgekriegt, das Büro meines Vaters war ja im Wohnzimmer integriert.

Ich habe noch zwei jüngere Brüder, die wurden interessanterweise zuerst gefragt, ob sie den väterlichen Betrieb übernehmen wollen – wollten sie nicht. Und da habe ich mir gedacht, warum nicht. Ich lern es einmal. Und es ist ein angenehmer Beruf, man hat viel mit Menschen zu tun und ist viel draußen. Wenn wir ‚schwarz gehen‘, also unsere Kluft anhaben, dann merkt man auch, dass wir als lebende Glücksbringer wahrgenommen werden. Erst unlängst bin ich wieder in der Kluft gegangen, und zwei Damen haben gleich hektisch begonnen, einen Knopf zu suchen. Heutzutage haben aber die meisten Jacken nur noch einen Zippverschluss, das ist dann ein bisschen frustrierend.

Studium und Lehre

Parallel zu meiner Rauchfangkehrerlehre habe ich Biologie studiert. Auch das hat bei uns Tradition. Mein Vater war Rauchfangkehrer und diplomierter Forstwirt. Mir hat das Studium irrsinnig Spaß gemacht. Eine wissenschaftliche Karriere hat mich aber weniger interessiert. Ich war es gewohnt, selbst zu entscheiden und unabhängig von irgendwelchen Geldgebern zu sein. Mittlerweile bin ich auch in der Rauchfangkehrerlehre tätig, und da hilft mir mein Physik- und Chemiewissen. Aber mich hat die Verhaltensforschung auch schon immer interessiert. Und als Rauchfangkehrer kriegt man die verschiedenen Facetten von Kunden – von ganz grausig bis irrsinnig lieb – mit. Du siehst das Umfeld, da kannst du dir vorstellen, wie er lebt oder wie er reagiert. Beinahe kriminalistisches Geschick ist gefragt, wenn ich auf der Suche nach den physikalischen oder chemischen Ursachen bin, wenn was nicht funktioniert.

Psychologisches Fingerspitzengefühl wiederum braucht man, wenn man Streitereien unter Nachbarn schlichten muss, weil’s dem einen zu sehr stinkt oder ein anderer sich fürchtet, dass er vergiftet wird. Der Job ist abwechslungsreich, aber auch hektischer und technischer geworden. Feuerstätten waren früher wesentlich einfacher. Die Rauchfänge, gerade im innerstädtischen Bereich, haben sich aber kaum verändert. Daher verwenden wir seit über 150 Jahren die gleichen Kehrbesen. Zusätzlich haben wir aber auch diverse technische Messgeräte, die zum Einsatz kommen. Es ist ein krisensicherer Job. Es wird immer irgendwelche Brennstoffe geben, auch Wärmegeräte werden wir weiterhin brauchen. Der Rauchfangkehrer ist der Einzige, der ein- bis viermal im Jahr in den Häusern ist. Und vom Dachboden abwärts in jede Wohnung kommt. Da kriegen wir auch einiges mit – wenn sich zum Beispiel Tauben im Dachboden eingenistet haben. Wir sind schon ein bisserl hausmeisterisch.

Doppelt so schnell

Nach wie vor ist es ein sehr männerdominierter Beruf. Natürlich war mein Vater stolz, dass ich das lernen wollte. Man musste schon der bessere Mann sein, um zu bestehen – doppelt so schnell rechnen, doppelt so schnell den Kamin raufsteigen. Wir waren zwei Frauen in der Ausbildung. Und es war schon so, dass wir von den Burschen auf gut Wienerisch verarscht worden sind. Aber wer austeilt, muss auch einstecken können. Und wir haben das alles liebevoll zurückgegeben.

Ich habe drei Kinder. Der Älteste macht gerade die Meisterprüfung, der Mittlere sitzt im Büro und macht die Buchhaltung. Er studiert zwar an der WU, überlegt aber, ob er nach dem Studium nicht noch die Lehre machen soll. Und bei der Jüngsten, sie ist 13, steht die Berufsentscheidung noch aus.