Die Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops zeigt die Spiralgalaxie UGC 2885. Auf dem Bild ist eine Reihe von Vordergrundsternen in unserer Milchstraße zu sehen, die durch ihre sogenannten Spikes, Beugungskreuze, gekennzeichnet sind.
Foto: NASA, ESA and B. Holwerda (University of Louisville)

New York – Das Hubble-Weltraumteleskop hat die vermutlich größte Galaxie im näheren Universum ins Visier genommen. Der "Godzilla" unter den Balkenspiralgalaxien, wie die Sterneninsel UGC 2885 in der Konstellation Perseus von Nasa-Wissenschaftern bezeichnet wird, liegt in 232 Millionen Lichtjahren Entfernung und gibt den Fachleuten Rätsel auf. Allen voran steht die Frage, wie die majestätische Galaxie mit dem zweieinhalbfachen Durchmesser unserer Milchstraße und zehnmal so vielen Sternen überhaupt so groß werden konnte.

Nach Ansicht der Forscher vom Space Telescope Science Institute im US-Bundesstaat Maryland könnte dieser "sanfte Riese" schon seit mehreren Milliarden Jahren nur mehr eine sehr geringe Sternengeburtsrate aufweisen. Die Quelle des dafür nötigen Wasserstoffs dürften Filamentstrukturen des intergalaktischen Raums sein. Auch das supermassive zentrale Schwarze Loch von "Godzilla" scheint ein schlafender Gigant zu sein. Da sich die Riesengalaxie – im Unterschied zu vielen ihrer Verwandten – nicht von bedeutend kleineren Satellitengalaxien "ernährt", fehlt es hier offenbar am notwendigen Gas.

Von Vera Rubin inspiriert

Einen anderen Spitznamen hat UGC 2885 von Benne Holwerda (University of Louisville, Kentucky) erhalten: Der Astrophysiker, der den Riesen mit Hubble nun genauer unter die Lupe genommen hat, nannte sie "Rubins Galaxie", zu Ehren der US-Astronomin Vera Rubin (1928–2016). "Meine Forschung war zu einem großen Teil von Vera Rubins Arbeiten aus dem Jahr 1980 über die Größe dieser Galaxie inspiriert", sagte Holwerda. Rubin maß die Rotation der Galaxie, was Hinweise auf Dunkle Materie liefert, die den größten Teil der Masse der Galaxie ausmacht.

In den Ergebnissen, die beim Wintertreffen der American Astronomical Society (4. bis 8. Jänner) in Honolulu, Hawaii, vorgestellt wurden, versuchen Holwerda und sein Team hinter das Geheimnis der ungeheuren Dimensionen der Galaxie zu kommen. "Wie sie so groß wurde, wissen wir immer noch nicht genau", sagt der Forscher. Ein Grund könnte aber sein, dass die Galaxie im Weltall ziemlich isoliert ist und sich keine anderen Sterneninseln in der Nähe befinden, die von ihr angezogen werden und sie schließlich in Unordnung bringen könnten.

Kugelsternhaufen liefern Blick in die Vergangenheit

Insgesamt scheint es, als sei "Godzilla" über die Jahrmilliarden nur langsam gewachsen, so die Wissenschafter. Das zumindest lässt sich aus der geringen Anzahl der Kugelsternhaufen im Halo der Galaxie schließen. Ein Überschuss würde bedeuten, dass UGC 2885 kleinere Galaxien verschlungen hätte.

Holwerda und seine Kollegen hoffen nun auf neue erhellende Ausblicke auf die Riesengalaxie, die das bedeutend leistungsfähigere James-Webb-Weltraumteleskop der Nasa ab 2021 liefern soll. Das ebenfalls von der Nasa für eine fernere Zukunft geplante Wide Field Infrared Survey Telescope (WFIRST) würde eine noch umfassendere Zählung der Kugelsternhaufen-Population dieser Galaxie ermöglichen. "Die Infrarotfähigkeit beider Weltraumteleskope würde uns einen ungehinderten Blick auf die zugrunde liegenden Sternpopulationen ermöglichen", sagt Holwerda. (tberg, red, 12.1.2020)