Manchmal ist ein großes Haus mehr Fluch als Segen. Bei der Leibrente wird eine Immobilie zu Geld.

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Viele leere Zimmer, ein großer Garten, der viel Pflege braucht, mangelnde Barrierefreiheit, und auf dem Konto schaut es auch nicht besonders rosig aus: Im Einfamilienhaus-verliebten Österreich finden sich viele Menschen im Alter in einer solchen Situation wieder.

Wer nicht umziehen will, hat zumindest theoretisch die Option einer Leibrente. Dabei wird eine Immobilie günstiger als zum Marktpreis verkauft, dafür behält der Verkäufer ein – meist lebenslanges – Wohnrecht und eine monatliche Rente. Im besten Fall kommt eine junge Familie so zu einem günstigen Eigenheim, das sie quasi in Raten bezahlen kann und sich ansonsten womöglich nicht leisten könnte. Und eine ältere Person oder ein Paar hat einen gesicherten Ruhestand im gewohnten Zuhause – eine soziale Win-win-Situation für alle. Zudem: Insgesamt spart das Modell auch Grund und Boden, weil weniger neu gebaut werden muss.

Doch warum ist die Leibrente dann nicht beliebter? Denn zumindest in Österreich, das weiß der Immobilienanwalt Felix Neuwirther von Freshfields, hält sich die Nachfrage in Grenzen, obwohl die Leibrente oftmals eine echte Alternative zum klassischen Verkauf sein könnte. Das liege vor allem an der Unsicherheit auf beiden Seiten, so der Experte. Sie komme daher, dass hierzulande kaum professionelle Unternehmen auf die Begleitung solcher Prozesse spezialisiert sind. Neuwirther ortet viel Potenzial.

Varianten der Leibrente gibt es mehrere. Entweder wohnen Käufer und Verkäufer gemeinsam im Haus, oder die Immobilie wird für den Käufer erst nach dem Ableben des Vorbesitzers verfügbar.

Wohnrecht mindert Wert

Auch alles Finanzielle wird vertraglich geregelt. Generell liegt der Kaufpreis des Hauses meist deutlich unter dem Marktwert; das Wohnrecht und der erhöhte Aufwand des Käufers – je nach vertraglicher Regelung etwa Instandhaltungs- oder Sanierungskosten – wirken wertmindernd. Dann wird ein größerer Betrag einmalig bezahlt, der Rest als monatliche Rente. Hier wird entweder von Beginn an eine fixe Gesamtsumme festgelegt, die jedenfalls bezahlt werden muss, egal wie lange der Verkäufer lebt – soweit nötig, auch noch an Erben.

Oder, und das ist die bislang gängige Variante, so Neuwirther, es gibt einen sogenannten Glücksvertrag. Hierfür wird die voraussichtliche, statistische Lebenserwartung des Verkäufers herangezogen, daraufhin die monatliche Rente festgelegt und bis zum Lebensende bezahlt. Glücksmodell deshalb, weil beide Seiten auf das frühere bzw. spätere Ableben des Verkäufers spekulieren. Eine längere Lebenserwartung senkt die monatliche Rente.

Weil sie im Schnitt länger leben, sind Frauen nach dieser Variante daher im Nachteil. Laut Neuwirther muss das aber nicht so sein. Wie fast alles beim Modell Leibrente, betont er, können auch die Beträge im Vertrag zwischen den Parteien individuell festgelegt werden. Apropos: Im Vertrag sollten Regelungen für alle Eventualitäten festgelegt sein. Etwa auch für eine Insolvenz und mögliche Umbauarbeiten oder aber auch dafür, dass die monatliche Zahlung den steigenden Lebenskosten angepasst wird, heißt es seitens des deutschen Start-ups McMakler.

Immobilien als Wertanlage

Neben dem Bilderbuch-Modell, in dem eine glückliche Jungfamilie mit einem Pensionisten oder einer Pensionistin friedlich in einem gemeinsamen Haus lebt, sind in Deutschland – wo das Modell verbreiteter ist – viele Anbieter unterwegs, die über eine Leibrente Immobilien als reine Wertanlagen oder für später geplante Großprojekte kaufen. Deutsche Medien berichten von dubiosen Angeboten an Hausbesitzer.

Wer sich in Österreich für eine Leibrente interessiert, sollte sich umfassend beraten lassen und an einen Rechtsanwalt wenden, der auf das Thema spezialisiert ist. Dann kann der Markt mit einem konkreten Konzept angesprochen werden, das der Lebensplanung des Verkäufers entspricht, empfiehlt Neuwirther.

Er hält die Leibrente auch aus volkswirtschaftlicher Sicht für ein Zukunftsmodell. Immerhin könnten dadurch mehr ältere Menschen in den eigenen vier Wänden verbleiben, anstatt in teure Pflegeheime ziehen zu müssen. (Bernadette Redl, 25.1.2020)