84 Prozent der Salzburger sind der Meinung: Das Land braucht gerade jetzt eine starke Führungspersönlichkeit.

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Eine starke Führungspersönlichkeit wünschen sich 84 Prozent der Salzburger. Fast die Hälfte der Befragten meint, gesellschaftliche Probleme wären gelöst, wenn man Nichtstuer loswerden könnte. "Die autoritären Weltanschauungen haben sich teils weiter verhärtet", sagt der Soziologe Wolfgang Aschauer, der eine Langzeitstudie zu autoritären Einstellungen in Salzburg leitet. "Es herrscht eine Sehnsucht nach Ordnung, Führungsstärke und einfachen Lösungen in einer zunehmend komplexeren Welt."

Die Studie wurde 2017 erstmals von der Abteilung Soziologie der Universität Salzburg und der Robert-Jungk-Bibliothek durchgeführt. "Wir waren damals schon überrascht vom relativ hohen Ausmaß autoritärer Haltungen", sagt Aschauer. Nun ist die zweite Befragungswelle vom November 2019 abgeschlossen, und die Ergebnisse zeigen, dass diese nach wie vor weit verbreitet sind. Mehr als 500 Salzburger sind vom Institut für Grundlagenforschung in einer repräsentativen Umfrage mittels Online- und Telefoninterviews befragt worden.

Der Sozialforscher hat für die Langzeitstudie eine Skala entwickelt, die auf das ursprüngliche Konzept von Theodor W. Adorno zurückgeht – mit neun verschiedenen Dimensionen des Autoritarismus. In der sogenannten Trias zwischen autoritärer Unterordnung, Konventionalismus und autoritärer Aggression seien die einzelnen Bewertungen seit 2017 weiter angestiegen.

88 Prozent der Befragten wollen, dass härter gegen Kriminelle durchgegriffen wird.
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Für die Aussage: "Unser Land braucht gerade jetzt eine starke Führungspersönlichkeit" gebe es eine Zustimmungsrate von 84 Prozent. Vor drei Jahren fand diese Aussage noch bei nur 60 Prozent Zustimmung. "Ein alarmierendes Resultat", sagt der Soziologe. Zwei Drittel sagen, es sei immer das Beste, Dinge in der üblichen Art und Weise zu erledigen. Außerdem meinen 88 Prozent der Befragten, unsere Gesellschaft müsse härter gegen Kriminelle durchgreifen.

Nährboden für Verschwörungstheorien

Gleichzeitig würden neuere Dimensionen wie der Glaube an Verschwörungstheorien, Destruktivität und Pessimismus stärker an Relevanz gewinnen. 83 Prozent glauben etwa, im Weltgeschehen hätten mächtige Gruppen im Hintergrund den größten Einfluss. 48 Prozent der Salzburger sagen, die meisten hätten keine Vorstellung, in welchen Ausmaß unser Leben von geheimen Verschwörungen bestimmt werde. Dass die Sünden der Menschheit eines Tages durch eine höhere Macht gerächt werden – dem stimmen 17 Prozent voll zu und 28 tendenziell. "Das sind Aussagen, die allesamt fast schon mehrheitsfähig sind", betont der Soziologe. "Übersinnliche Phänomene werden als glaubwürdiger erachtet."

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Ein Berliner Theater hat Libyens ehemaligen Diktator Muammar al-Gaddafi als Puppe geführt. 83 Prozent der Salzburger glauben, dass mächtige Gruppen im Hintergrund großen Einfluss auf das Weltgeschehen haben.
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Jene Menschen, die bereits autoritär eingestellt sind, weisen zudem ein hohes Ausmaß an Zukunftspessimismus und destruktiver Haltungen auf. 58 Prozent der Bevölkerung sind der Ansicht, dass man es kaum noch verantworten könne, Kinder in die Welt zu setzen. Noch immer sagen 28 Prozent, Homosexualität sei wider die Natur.

Benachteiligt und unsicher

Für dieses hohe Ausmaß an autoritären Einstellungen sieht der Soziologe verschiedene Gründe. Das Ungerechtigkeitsempfinden steige weiter an. Mittlerweile sagen 53 Prozent, dass die Österreicher gegenüber Ausländern benachteiligt seien. Und 54 Prozent sind überzeugt, dass es mit Österreich bergab gehen werde. Aber nur 21 Prozent sehen den eigenen Lebensstandard als kritisch.

"Die Österreicher sind verunsichert. Sie haben das Gefühl, die Plattform des Wohlstands sei erreicht und es gehe über die Zeit eher bergab", sagt Aschauer. Viele globale Wandlungsprozesse seien sehr komplex, die von vielen auch nicht mehr verstanden werden. Daher sehnten sich die Menschen nach Überschaubarkeit, Ordnung und Führungsstärke. Deshalb seien sie auch empfänglich für simple Botschaften.

Es sei ein Teufelskreis: "Autoritäre Einstellungen werden durch Verunsicherung genährt, verstärkt und aktiviert", betont der Soziologe. Wenn es den Menschen gutgehe, würden diese Haltungen zugedeckt werden. Träten wieder Verunsicherungen oder Probleme auf, brächen sie wieder auf. "Wenn Politiker aufspringen, mit den Ängsten spielen und das instrumentalisieren, dann verstärkt sich das in Richtungen, die nicht mehr demokratieförderlich sind", erläutert Aschauer.

Nach unten treten

Zudem nehme in der Mitte der Gesellschaft die Wettbewerbsmentalität zu. "Die Menschen versuchen, in der Gesellschaft hochzukommen. Das ist nicht mehr so leicht. Früher sprach man in der Soziologie vom Fahrstuhleffekt, nun spricht man von Strickleitern." Diese Privilegien werden nach unten abgesichert. Gegen Gruppen wie Bettler, Obdachlose, Langzeitarbeitslose werden nach unten getreten. Es herrsche Gleichgültigkeit gegenüber Schwächeren. "Sie sind nach Ansicht der Mitte am Versagen selber schuld und sollen bleiben, wo sie sind. Diese Logik nimmt in der Mitte weiter zu", sagt Aschauer.

Gegen schwächere Gruppen in der Gesellschaft herrsche Gleichgültigkeit. "Arbeitslose sind am Versagen selber schuld: Diese Logik nimmt in der Mitte zu", sagt Wolfgang Aschauer.
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Auch die Politikverdrossenheit in Österreich ist auf hohem Niveau noch weiter angestiegen. 81 Prozent meinen, Politiker hätten kein Rückgrat mehr. Vor drei Jahren waren es noch 76 Prozent. Ebenso viele haben den Eindruck, keinen Einfluss mehr auf das politische Geschehen zu haben.

Die Hälfte ist autoritär

Aschauer hat auf Basis der Ergebnisse fünf verschiedene Milieus in der Salzburger Bevölkerung festgemacht. Die Hälfte der Bevölkerung könne demnach als autoritär eingestuft werden. Er unterscheidet zwischen den konventionell Autoritären (23 Prozent) und den dominant Autoritären (25 Prozent).

14 Prozent der Bevölkerung bezeichnet Aschauer als Kommunitarier. Menschen, die darauf aus sind, die Solidarität in der Gesellschaft zu stärken und einen gemeinsamen Wertekanon zu propagieren. "Diese Gruppe kann man als christlich-sozial, aber eher als linksorientiert einstufen", sagt der Forscher. Dies sei überwiegend nichtautoritär eingestellt.

Neun Prozent seien den Antiautoritären zuzurechnen. Sie seien etwas älter, hochgebildet und dürften der 68er-Bewegung angehören, wo diese Werte verinnerlicht wurden, sagt Aschauer. "Hier sieht man die starke Spaltung in der Gesellschaft." Denn in dieser Gruppe seien 80 Prozent Grün- und Neos-Wähler.

Autoritäre Ansichten in der Mitte salonfähig

Der überwiegende Teil der Salzburger sei der sogenannten leistungsorientierten bürgerlichen Mitte zuzurechnen. Diese 29 Prozent seien anfällig für autoritäre Einstellungen. "Sie sind das Zünglein an der Waage, in welche Richtung es sich entwickelt", fasst der Studienautor die Ergebnisse zusammen. "Aber autoritäre Einstellungen werden auch in der gesellschaftlichen Mitte salonfähiger." Hier sei die Absicherung wichtig: nach unten treten, nach oben buckeln.

2018 sei auch eine österreichweite Studie durchgeführt worden. Diese zeige, dass Salzburg bei den autoritären Haltungen keinen Ausreißer im Österreich-Vergleich darstelle. Es liege ziemlich genau zwischen Wien und Restösterreich. Die Wiener seien etwas weniger autoritär eingestellt. Dafür überwiegen hier der Zynismus und Pessimismus. Ansonsten sei in den anderen Bundesländern der Autoritarismus etwas höher ausgeprägt. (Stefanie Ruep, 29.01.2020)