Während eines Schlaganfalls ist das betroffene Gehirnareal durch ein Gerinnsel vom restlichen Kreislauf getrennt. Die Folge: Gehirnzellen sterben ab.

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Kommt es zu einem ischämischen Schlaganfall, dann verschließt ein Blutgerinnsel ein Gefäß im Gehirn und verhindert die ausreichende Durchblutung des dahinterliegenden Areals. Dadurch kommt es dort zu einer Mangelversorgung mit Nährstoffen, allen voran Sauerstoff, und die betroffenen Nervenzellen beginnen, abzusterben. Diese Zusammenhänge sind schon lange bekannt. "Es wird aber vermutet, dass sich in der abgeriegelten Zone weitere pathologische Mechanismen abspielen, die einen entscheidenden Einfluss auf das Absterben von Hirngewebe, also das Voranschreiten des Hirninfarkts haben", erklärt Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie der Uniklinik Würzburg.

Aus Versuchen mit Mäusen ist bekannt, dass im Verlauf der Verschlusssituation eine biochemische Signalkaskade startet, die eine schädliche Entzündungsreaktion auslöst. Dieser Effekt ließ sich bislang aber beim Menschen weder bestätigen noch widerlegen. Das Problem war, dass für einen Nachweis "ungestörte" Blutproben aus dem abgeriegelten Infarktbereich benötigt werden, also bevor das Gerinnsel entfernt wird.

Forscher der Uniklinik Würzburg haben nun einen Weg gefunden, diese Hürde zu überwinden. "Hierfür haben wir ein zugelassenes Mikrokatheterverfahren so modifiziert, dass wir kurz vor der Gerinnselentfernung eine winzige Blutprobe aus dem abgeriegelten Kompartiment direkt hinter dem Gerinnsel gewinnen können", erklärt Kollikowski. Die Probenahme erfolgt also während des zur Entfernung des Gerinnsels ohnehin nötigen minimal-invasiven operativen Eingriffs ohne diesen zu verlängern. Dabei wird ein extrem feiner Katheter – der Durchmesser seiner Öffnung liegt in der Größenordnung eines dicken Haares – durch den Embolus geschoben und auf der anderen Seite eine winzige Blutmenge angesaugt. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschafter Proben von 151 Patienten. Bei 40 davon waren alle Parameter so, dass die Forscher einen exakten Vergleich mit dem Mausmodell hatten.

Entzündungsreaktion während Schlaganfall

"Zu Hilfe kommt uns hierbei die spezielle Konsistenz der Schlaganfallgerinnsel. Sie sind so weich, dass ein Durchdringen mit dem Mikrokatheter noch möglich ist, aber gleichzeitig so widerstandsfähig, dass die Barriere nicht schon bei diesem Vorgang zerstört wird", erläutert Kollikowski. Für ihre Studie entwickelten die Wissenschafter ein aufwändiges Protokoll, um winzige Gehirnblutproben standardisiert gewinnen zu können und diese direkt danach sehr nah am Angiographie-OP im neuroimmunologischen Labor zu analysieren. So konnten die Forscher zeigen, dass auch im Menschen eine sofortige massive Entzündungsreaktion im Gehirn stattfindet, die jener in den Mausexperimenten sehr ähnlich ist.

Die Wissenschafter konnten erstmals im Menschen Botenstoffe der Entzündung und vor allem eine Invasion der abgeriegelten Zone durch Immunzellen, insbesondere Granulozyten und Lymphozyten, nachweisen. Aus den gewonnenen Ergebnisse hoffen sie nun, eine Strategie für die zukünftige Schlaganfalltherapie ableiten zu können.

So solle ein entzündungshemmendes Medikament dem Schlaganfallpatienten möglichst frühzeitig verabreicht werden, idealerweise schon durch den Notarzt vor Eintreffen im Krankenhaus, um das Absterben des Gehirns zu bremsen bis der Blutfluss durch die operative Wiedereröffnung des Gehirngefäßes wiederhergestellt wird. Zum Wirkungsort innerhalb des abgeriegelten Areals kann das Präparat über Umgehungskreisläufe, die sogenannten Kollateralwege gelangen, mit denen der Körper für eine gewisse Restdurchblutung sorgt, bevor die Nervenzellen endgültig absterben, betonen die Studienautoren. (red, 2.2.2020)