Gute Stimmung, unterschiedliche Ansichten: Sebastian Kurz und Angela Merkel am Montag in Berlin.

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Es war sozusagen ein halber Antrittsbesuch, den Kanzler Sebastian Kurz am Montag in Berlin bei Angela Merkel absolvierte. Die beiden kennen sich ja seit langem, aber Kurz war zum ersten Mal als Chef der neuen türkis-grünen Regierung in Berlin.

"Wir freuen uns darüber", sagte Merkel, und grundsätzlich war die Stimmung freundlich, obwohl es einige Differenzen zwischen Wien und Berlin gibt, die beim gemeinsamen Mittagessen – es gab Hendl – besprochen wurden.

Doch beim drängendsten Thema, der mittelfristigen Finanzplanung für die EU, so Merkel, "sind Österreich und Deutschland im Grundsatz erst einmal in einer gemeinsamen Situation, dass wir Nettozahler sind". Oder wie es Kurz formulierte: "Wir sitzen beide in einem Boot."

Das schweißt zusammen. "Klar ist, dass wir die derzeitigen Vorschläge als zu hoch erachten", sagt Kurz. Die EU-Kommission fordert für die nächsten Jahre 1,11 Prozent des nationalen BIP als Beitrag, das EU-Parlament hat gar 1,3 Prozent vorgeschlagen.

Deutschland und Österreich wollen bei einem Prozent bleiben. "Das ist sicherlich ein komplexer Prozess", meint Kurz, es sei wichtig, "dass wir als Nettozahler gut abgestimmt sind".

"Noch ist es nicht geschafft"

Ob Merkel sich beim Sondergipfel am 20. Februar ebenfalls – wie von Kurz angekündigt – ein Veto vorstellen könne, wurde sie gefragt. Ihre Antwort: "Man kann Veto sagen oder nicht, wir brauchen Einstimmigkeit im Europäischen Rat. Noch ist es nicht geschafft."

Merkel deutete aber an, dass sich die Nettozahler noch bewegen könnten: "Man wird nicht mit Null-Komma-Null-Null-Kompromissbereitschaft hineingehen." Es hänge auch davon ab, wie viele der Gelder dann in Forschung oder in Deutschland in die neuen Länder zur Strukturförderung fließen. Sollte heißen: Wir geben, wenn wir ordentlich zurückbekommen.

Nicht überall einig

Allerdings sind sich Merkel und Kurz nicht in allen Finanzfragen einig. Österreich lehnt ja einen Vorschlag vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für eine Transaktionssteuer ab. Kurz hatte schon vor seinem Besuch in einem Interview mit der Zeitung Welt am Sonntag erklärt, Österreich werde "alles tun", um diese zu verhindern.

"Wir haben über die Finanztransaktionssteuer gesprochen", erklärte Merkel nach dem Essen, musste aber konstatieren: "In der jetzigen Ausgestaltung kann Österreich nicht zustimmen. Das bedauern wir."

Die EU will diese Steuer auf Börsengeschäfte bereits seit dem Jahr 2011 einführen. "Wir sind für die Finanztransaktionssteuer als Spekulantenbesteuerung", betont auch Kurz. Österreich wolle aber nicht jene Sparer bestrafen, die mit Aktien für ihre Pension vorsorgen.

Auch hier deutete Merkel Kompromissbereitschaft an: "Wir können natürlich weiter reden." Aber sie meinte auch: "Es darf nur nicht so sein, dass mit einer Veränderung dann gleich fünf andere Länder wieder abspringen." Wörtlich bezeichnete sie die Verhandlungen als "schwierige Kiste".

Modell der Schlepper

Differenzen gibt es auch bei der möglichen EU-Rettungsmission Sophia vor der libyschen Küste. Kurz ist dagegen, er meinte: "Wir wollen verhindern, dass sich Schiffe überhaupt auf den Weg machen." Die Mission Sophia zerstöre das "Geschäftsmodell der Schlepper aber nicht". Merkel hingegen findet es besser, "wenn wir wieder eine staatliche Mission haben", nicht nur private.

Ab 1. Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne, Merkel wurde gefragt, ob sie sich Vertragsveränderungen wegen des Brexits vorstellen könne. Sie meinte: "Wir sind aufgefordert, schneller zu handeln, aber Vertragsveränderungen sind kein Selbstzweck." Da konnte Kurz beipflichten: "Ich stimme dem zu."

Am Montagabend stand für Kurz erneut ein Abendessen beim Springer-Verlag auf dem Programm, geladen waren auch die grüne EU-Abgeordnete Sarah Wiener, SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sowie die beiden CSU-Minister Horst Seehofer (Inneres) und Andreas Scheuer (Verkehr).

Am Dienstag trifft Kurz noch mit dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zusammen. (Birgit Baumann aus Berlin, 3.2.2020)