Auf Baustellen sind besonders häufig ausländische Arbeitskräfte im Einsatz, die nicht sozialversichert sind.

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Wien – Die Razzia bei den Amazon-Paketzustellern war für Gernot Blümel (ÖVP) erst der Anfang. Heuer soll die Finanzpolizei schwerpunktmäßig Großbetriebe kontrollieren. "Wir nehmen insbesondere die Großen, die Steueroptimierung betreiben können, ins Visier", kündigte der Finanzminister in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) am Donnerstag an. "Denn bei Großkonzernen ist der Druck auf Subunternehmer besonders hoch", obwohl es bei diesen Konzernen ohnehin schon eine Disbalance bei der Steuerleistung gebe.

Kleine ehrliche Betriebe dürften nicht unter die Räder kommen. "Die Großen dürfen sich nicht abputzen", sagte Blümel und kündigte im ersten Halbjahr mehr Einsatztage in den Grenzregionen in Niederösterreich, Burgenland der Steiermark und Kärnten an. Um "an die großen Fische" heranzukommen, soll das Kontingent an Finanzpolizisten für anlass-, branchen- und saisonbezogene Schwerpunktkontrollen aufgestockt werden, um "Quasi-Planquadrate" durchführen zu können.

Verdacht auf Sozialbetrug

Klar ist damit: Es geht um die seit 2011 dramatisch angestiegenen sogenannten Entsendungen, bei denen ausländische, in der Regel billigere Arbeitskräfte, bevorzugt aus den neuen EU-Ländern, auf österreichische Baustellen oder für Industrieaufträge entsandt werden. Sie müssen Bescheinigungen mitführen, die belegen, dass sie bei Dienstgebern in Ungarn, Slowenien oder Rumänien angestellt sind und Sozialabgaben abgeführt werden, was – wie bei 174 Dienstnehmern der 36 gefilzten Amazon-Sublieferanten – oft nicht der Fall sei. Bei einem Drittel der Arbeitnehmer habe man im Zuge der Razzia in Großebersdorf arbeitsrechtliche Verstöße festgestellt, sagte Blümel. Daher bestehe Verdacht auf gewerbsmäßigen Sozialbetrug.

Bei der Eröffnung des Amazon-Verteilzentrums in Großebersdorf im Vorjahr war mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) die hohe Politik anwesend. Heuer wurden die Subunternehmer des Onlineriesen gefilzt.
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Ausgangspunkt waren im Fall Amazon übrigens zwei Anzeigen von Paketzustellern. Die Amazons der Branche nähmen das bewusst in Kauf, heißt es im Finanzministerium. Das gefährde die Sozialsysteme.

Zahl der Entsendungen explodiert

Die Dimension des Problems ist in den vergangenen zehn Jahren geradezu explodiert: Die Zahl der Entsendungen stieg laut Finanzministerium von rund 10.000 im Jahr 2011 auf 238.850 im Vorjahr. 60 Prozent der Anzeigen auf Unterentlohnung betreffen ausländische Betriebe, sagte Aschbacher. "Die fair agierenden österreichischen Betriebe dürfen nicht die Dummen sein, wir haben 30.000 Arbeitssuchende am Bau in Österreich."

Wie man dem Problem beikommen will? Einerseits durch eine Reform des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes, dessen zahnlose Bestimmungen Arbeitsministerin Aschbacher schärfen will. Welche genau, sagte sie nicht, das soll eine Expertengruppe machen. Arbeiterkammer und Gewerkschaft sehen, wie berichtet, beim Kumulierungsprinzip Handlungsbedarf, weil der Europäische Gerichtshof der Vervielfachung von Strafen bei massenhaften Verfehlungen einen Riegel vorgeschoben hat. Sie fordern weiters eine Auftraggeberhaftung nach Vorbild der Generalunternehmerhaftung am Bau, um Scheinfirmen das Wasser abzugraben. (ung, 20.2.2020)