Einmal kurz umgedreht, um den Waschlappen nass zu machen, und plötzlich fällt das Baby vom Wickeltisch. Riesengeschrei, der Schock sitzt tief. Das Kind könnte im schlimmsten Fall sterben oder mit einer Schädelprellung, Platzwunden und Knochenbrüchen davonkommen. "Wie konnte das nur so schnell passieren?"

Bild nicht mehr verfügbar.

Die meisten Unfälle im Alter zwischen null und vier Jahren passieren zu Hause. Diese könnten vermieden werden, indem man zum Beispiel ein Sicherheitsgitter bei der Treppe montiert.
Foto: Getty Images/ronstik

Kopfverletzungen bei Babys und Kleinkindern

Laut dem Verein "Große schützen Kleine" stirbt österreichweit alle zwei bis drei Wochen ein Kind an den Folgen eines Unfalls. Ein Drittel aller Kinderunfälle ereignet sich direkt in der Wohnung oder im Haus. "Da der Kopf bei Babys 25 Prozent des gesamten Körpergewichts ausmacht – beim Erwachsenen sind es nur sechs Prozent –, können Sturzverletzungen besonders gefährlich werden", sagt Holger Till, Präsident des Vereins "Große schützen Kleine" und Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie Graz.

In einer aktuellen Studie wurden etwa 4.700 Sturzunfälle von Kindern analysiert, die im Wohnumfeld passiert sind. Erwartungsgemäß betreffen diese vorrangig Kinder zwischen null und vier Jahren. Die häufigsten Verletzungen sind Schädelprellungen (32 Prozent), gefolgt von Wunden (30 Prozent), anderen Prellungen (zwölf Prozent) und Knochenbrüchen (elf Prozent). Eines von fünf Kindern verletzt sich beim Sturz schwer.

Wohnumfeld für Kleinkinder richtig gestalten

Kleinkinder fallen oft um, stolpern oder rutschen aus. Das ist ganz normal. Schließlich sei die für uns Menschen so wichtige Bewegung untrennbar mit Sturzunfällen verbunden, weshalb Experten auch von einer Überbehütung des Kindes abraten. "Beim Menschen ist Bewegung beziehungsweise Motorik die Voraussetzung für Entwicklungsfortschritte auf allen Gebieten", sagt Peter Spitzer vom Forschungszentrum für Kinderunfälle des Vereins "Große schützen Kleine". Wissenschaftliche Studien belegen, dass viel Bewegung die Entwicklung motorischer Fertigkeiten unterstützt und auch die Koordinationsfähigkeiten signifikant erhöht. Bei Bewegung und der damit verbundenen Eroberung des Raums kommen alle Sinne zum Einsatz. Erst die Entwicklung seiner motorischen Fähigkeiten ermöglicht es dem Kind, Teile seiner Umwelt zu "begreifen" und zu "erfassen" (im wörtlichen und im übertragenen Sinn), seinen Lebensraum beständig zu erweitern und zu erforschen, seine Unabhängigkeit zu steigern und neue Erfahrungen zu sammeln, die für seine weitere Entwicklung enorm wichtig sind.

Aber auch Stürze aus der Höhe kommen häufig vor, wie die Studie zeigt. Die Couch im Wohnzimmer ist dabei die größte Gefahr, von der ein Absturz erfolgt. Danach kommen das Elternbett und der Sessel. Diese drei Produkte sind bei den meisten Stürzen im Kleinkindalter beteiligt. "Sehr viele Verletzungen im ersten Lebensjahr sind durch Umsicht der Eltern zu verhindern", sagt Spitzer. Ein unfallverzeihendes Wohnumfeld sei in der Phase des Laufenlernens eine wichtige Maßnahme. Konkret heißt das, gewisse Möbel wegzuräumen, Stolperfallen zu vermeiden, auf rutschfeste Böden und Teppiche zu achten, scharfe Ecken und Kanten abzukleben oder eine flauschige Unterlage für den Fall aufzulegen. Besonders quirlige Babys und Kleinkinder sollte man erst gar nicht auf den Wickeltisch legen und sie stattdessen auf dem Boden wickeln.

Druck der Eltern erhöht das Unfallrisiko

Stress und Hektik, zu viel zugleich erledigen zu wollen, Multitasking eben, erhöht das Unfallrisiko stark. "Abzuwarten, bis ein Kind von selbst Interesse für eine Sache zeigt, widerspricht beinahe unserem schnelllebigen Zeitgeist", sagt Spitzer. Es sei jedoch nicht so einfach, die seit Jahrtausenden etablierten Schritte der menschlichen Entwicklung grundsätzlich zu beschleunigen. "De facto benötigen Babys und Kleinstkinder keine Stimulation. Sie bewegen sich ganz von selbst und aus einem Eigenantrieb heraus."

Aufrichten, Aufstehen und Gehen lernen ist für das Kind ein fortwährendes Abenteuer und ein andauernder Versuch, in immer schwierigeren Positionen das bewegliche Gleichgewicht nicht zu verlieren. Im Schnitt können Babys mit zehn Monaten frei sitzen und mit 20 Monaten frei und sicher gehen. Aber erst mit dem siebenten Lebensjahr ist der Lernprozess des Gehens und die Stabilisierung des Gangmusters abgeschlossen. Der Entwicklungsstand eines Kindes und seine psychomotorischen Fähigkeiten sind ausschlaggebend dafür, ob und wie ein Kind die Gefahren des täglichen Lebens erkennen, mit ihnen umgehen und präventive Maßnahmen ergreifen kann. (red, 9.3.2020)

Sicherheitstipps, um Sturzgefahren zu entschärfen:

Sturz beim Gehen oder Laufen:

  • Stolperfallen aus dem Weg räumen
  • Auf rutschfeste Böden und Teppiche achten
  • Für scharfe Ecken und Kanten Schutzartikel verwenden
  • Auf "Lauflernhilfen" verzichten

Fenstersturz:

  • Versperrbare Fenstergriffe montieren oder nachrüsten
  • Kinder niemals beim Lüften aus den Augen lassen

Treppensturz:

  • Treppenschutzgitter montieren
  • Auf rutschfeste Stufen und Handlauf achten
  • Kind beim Stiegen gehen so lange wie nötig unterstützen

Sturz vom Wickeltisch:

  • Immer eine Hand am Baby haben
  • Quirlige Babys und Kleinkinder besser am Boden wickeln

Sturz von Couch oder Elternbett:

  • Bettschutzgitter montieren, Baby wandseitig schlafen lassen
  • Flauschigen Teppich vor Bett oder Couch legen
  • Kantend und Ecken bei Couchtischen gegebenenfalls mit Schutzartikeln entschärfen

Sturz aus Gitterbett oder Hochbett:

  • Lattenrost bei Gitterbett frühzeitig absenken; später zwei bis drei Gitterstäbe herausnehmen
  • Hochbett erst ab Schulalter verwenden und am Hochbett nicht toben, springen

Sturz aus Hochstuhl:

  • Gurte verhindern dass Kleinkinder "rauskippen"
  • Auf stabilen Stand des Hochstuhls achten

Sturz aus Kinderwagen:

  • Kind anschnallen
  • Für stabilen Stand des Wagens sorgen
  • Bei Halt Bremse immer feststellen

Sturz aus Autokindersitz:

  • Kinder in der Babyschale niemals auf Tischen, Sesseln & Co abstellen
  • Kleinkinder bei offener Autotür nicht unangeschnallt sitzen lassen