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Foto: AP/Claudio Furlan/LaPresse

Das Wichtigste in Kürze

  • Italien hat am Wochenende weite Teile Norditaliens komplett abgeriegelt, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
  • Innerhalb eines Tages starben in Italien mehr als 100 Menschen an dem Coronavirus, 60 Prozent der Todesopfer in Italien sind älter als 80 Jahre. Die meisten Todesopfer ab 70 Jahre haben an einer oder mehreren chronischen oder akuten Krankheiten gelitten.
  • Wegen Besuchsbeschränkungen kommt es seit dem Wochenende zu Aufständen in mehreren italienischen Gefängnissen und Ausbrüchen. In einem Gefängnis in Modena starben bei einer Revolte drei Gefangene.
  • Italiens Premier Giuseppe Conte verteidigte die drakonischen Maßnahmen und sprach von der "dunkelsten Stunde" für sein Land. Er fordert ein EU-Maßnahmenpaket und kündigt eine Schocktherapie zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen an.
  • Zahl der Neuinfektionen in China auf dem niedrigsten Stand seit Veröffentlichung der Zahlen im Jänner.
  • Österreich startet diese Woche mit Fieberkontrollen an den Grenzübergängen zu Italien (aktuelle Österreich-Meldung zum Thema Coronavirus).
  • Börsen stürzen aus Angst vor einer Rezession ab. Ölpreis mit dem stärksten Fall seit 1991: Aktuelle Meldung zu den Börsen und Kommentar zu Ölpreis- und Börsenabsturz.

Rom/Peking/Seoul – Der italienische Premier Giuseppe Conte verteidigt die drakonischen Maßnahmen seiner Regierung im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie und zitiert den britischen Premierminister Winston Churchill: "Das ist unsere dunkelste Stunde, doch wir werden es schaffen", sagte Conte im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica". Seit Sonntag sind im Norden Italiens ganze Regionen und Städte abgeriegelt.

Wegen Restriktionen aufgrund des Coronavirus sind in mehreren italienischen Haftanstalten Revolten von Insassen ausgebrochen. Zu den Aufständen am Sonntag kam es, nachdem Einschränkungen für den Besuch von Angehörigen verhängt worden waren, wie die Gewerkschaft für Gefängnispersonal (Osapp) mitteilte.

In einem Gefängnis in Modena sind im Zuge der Revolte drei Gefangene zu Tode gekommen. Zwei weitere Gefängnisinsassen liegen in kritischem Zustand im Krankenhaus. Die Umstände blieben zunächst aber unklar. Nicht ausgeschlossen ist, dass Prügeleien zwischen Gefängnisinsassen ausgebrochen sind, die mit dem Protest nicht einverstanden waren. Im selben Gefängnis wurden bei den Konfrontationen zwei Wärter verletzt, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa meldete. Die Polizei wurde gerufen, um die Ruhe in der Haftanstalt wiederherzustellen.

Geiselnahme

Zu Revolten kam es auch in Haftanstalten in Alessandria, Pavia, Frosinone und Neapel. In dem Gefängnis in Pavia südlich von Mailand nahmen Häftlinge laut italienischen Medien zeitweise zwei Wärter als Geiseln. In Frosinone südlich von Rom verbarrikadierten sich rund hundert Häftlinge in einem Teil der Anstalt, wie die Nachrichtenagentur Agi berichtete. Nahe des Gefängnisses von Poggioreale, einem Vorort von Neapel, demonstrierten Angehörige von Häftlingen gegen die Restriktionen bei Besuchen.

Im Gefängnis von Poggioreale in Neapel kletterten die Gefangenen auf Mauern.
Foto: EPA/Abbate

Italien ist inzwischen nach China das weltweit am stärkten von dem neuartigen Virus betroffene Land. Die Zahl der Todesopfer stieg dort auf mindestens 366, allein am Sonntag starben mehr als hundert Menschen. 60 Prozent der Todesopfer in Italien sind älter als 80 Jahre. Die meisten Todesopfer ab 70 Jahre haben an einer oder mehreren chronischen oder akuten Krankheiten gelitten. Die Zahl der bestätigten Infektionen stieg auf 7.375. Seit Sonntag sind ganze Regionen und Städten im Norden abgeriegelt, 16 Millionen Menschen sind betroffen. Beschränkungen gibt es auch in der Wirtschaftsmetropole Mailand und Venedig.

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Kontrolle am Mailänder Bahnhof.
Foto: AP/Claudio Furlan/LaPresse

Norditalienern, die die Sperrzone in der Lombardei und in anderen 15 norditalienischen Provinzen ungerechtfertigt verlassen, drohen strafrechtliche Folgen. Wie Italiens Regierungschef betonte, sind Ausnahmen nur bei nachgewiesenen dringenden beruflichen oder familiären Verpflichtungen und in gesundheitlichen Notfällen vorgesehen.

Indes ordnete das italienische Innenministerium verschärfte Kontrollen auf Busstationen, Bahnhöfen und Flughäfen an. Auch die Straßen und Autobahnen werden verstärkt kontrolliert. Auf den Bahnhöfen kann die Temperatur der Reisenden mit Thermoscannern kontrolliert werden.

Premier: "Lebensstil ändern"

"Es ist schwierig, in der jetzigen Phase Prognosen zu machen. Wir stehen vor einem neuartigen Virus. Die Regierung koordiniert mit Intensität und höchster Konzentration die organisatorische Maschinerie. Wir wollen die Virusverbreitung eingrenzen und die Gesundheitsstrukturen stärken, damit sie diese Herausforderung bewältigen können. Wir sind ein starkes Land", sagte der parteilose Regierungschef Conte.

Conte appellierte an die Italiener, ihren Lebensstil zu ändern und auf soziale Kontakte zu verzichten. "Es ist nicht einfach, von einem Tag zum anderen die eigenen Lebensgewohnheiten zu ändern und persönliche Opfer für das gemeinsame Wohl zu akzeptieren. Diese Anpassungsschwierigkeiten betreffen uns alle (...) Der Verzicht des Einzelnen ist für das Wohl der Kollektivität entscheidend. Wenn wir alle die Regeln respektieren, wird sich Italien bald erholen", sagte der seit Juni 2019 amtierende Regierungschef.

Nachdem sich der Sozialdemokraten-Chef Nicola Zingaretti mit dem Coronavirus infiziert hatte, unterzog sich der italienische Premier ebenfalls einem Test, das Ergebnis sei negativ. "Meine Ärzte sind fürsorglich und betreuen mich mit Aufmerksamkeit. Ich vertraue ihnen", sagte der Premier.

Derweil rief die italienische Regierung die Europäische Union dazu auf, ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Folgen der Epidemie aufzulegen. Dies müsse in Abstimmung mit der gesamten internationalen Gemeinschaft geschehen, erklärt das Wirtschaftsministerium in Rom.

Conte kündigte zugleich eine weitere Steigerung der Staatsausgaben als "massive Schocktherapie" zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Epidemie an.

Auch Stephen King mahnte seine Twitter-Gefolgschaft, dass man Ruhe bewahren und vernünftige Maßnahmen treffen solle. Das Coronavirus sei nicht wie "Das letzte Gefecht". In diesem Roman des Autors rafft ein tödliches Virus Teile der Bevölkerung dahin.

Frankreichs Finanzminister fordert EU-Plan

Europa brauche nach den Worten des französischen Finanzministers Bruno Le Maire einen "gewaltigen" Plan zur Ankurbelung der Konjunktur, um mit den Folgen der Coronavirus-Epidemie fertig zu werden. Über den Umfang werde er am 16. März mit seinen europäischen Kollegen sprechen, sagte Le Maire dem Radiosender France Inter.

Er fügte hinzu, wegen der Epidemie könne das Wirtschaftswachstum in Frankreich dieses Jahr unter ein Prozent fallen statt der bisher geschätzten 1,3 Prozent.

Vierzig Neuinfektionen und 22 Tote in China

Die Zahl der offiziell registrierten Neuinfektionen mit dem Coronavirus in China ist auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Veröffentlichung dieser Zahlen im Jänner gesunken. Wie der Gesundheitsausschuss der Regierung in Peking am Montag mitteilte, wurden seit dem Vortag in ganz Festlandchina nur 40 weitere Ansteckungsfälle nachgewiesen.

Weitere 22 Menschen starben an der Infektion, auch dies eine im Vergleich zu früheren Wochen niedrige Zahl. Die allermeisten der seit Sonntag neu registrierten Ansteckungs- und Todesfälle traten den offiziellen Angaben zufolge in der zentralchinesischen Provinz Hubei auf, welche die Behörden seit Ende Jänner weitgehend von der Außenwelt abgeschottet halten. In ganz Festlandchina liegt die Gesamtzahl der Corona-Infizierten inzwischen bei mehr als 80.700, die Zahl der Todesopfer bei mindestens 3.119.

Provisorische Krankenhäuser schließen

Die Zahlen der Neuinfektionen in Hubei, von wo die Epidemie im Dezember ihren Ausgang genommen hatte, zeigen bereits seit mehreren Wochen einen Abwärtstrend. Elf der 16 provisorischen Krankenhäuser in der Provinzhauptstadt Wuhan, die nach Ausbruch des Erregers eingerichtet worden waren, wurden inzwischen geschlossen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Nach Angaben der Provinzregierung sind in Wuhan fast 31.000 in den Hospitälern behandelte Corona-Patienten genesen und entlassen worden.

Ein Roboter checkt Besucher eines Regierungsgebäudes in Guangzhou auf erhöhte Temperatur. Zumindest braucht er keine Maske.
Foto: EPA/Plavevski

Am Freitag hatte ein hochrangiger chinesischer Regierungsvertreter angedeutet, dass die Abriegelung von Hubei möglicherweise schon bald beendet werden könnte. Die Abschottungsmaßnahmen betreffen rund 56 Millionen Menschen.

Leichter Rückgang in Südkorea

Auch Südkorea, außerhalb Chinas einer der am stärksten von der Epidemie betroffenen Staaten, gab einen Rückgang der Zahl der Neuinfektionen bekannt. Seit Sonntag wurden dort weitere 248 Ansteckungsfälle verzeichnet, wie die Gesundheitsbehörde KCDC mitteilte. Dies war die niedrigste Zahl von Neuinfektionen seit zwei Wochen.

Insgesamt sind in Südkorea nach Angaben der Behörde damit nun 7.382 Infektionsfälle nachgewiesen worden. Die offizielle Zahl der Todesopfer im Land liegt bei 51.

Der Anstieg der Neuinfektionen in Südkorea flacht sich leicht ab.
Foto: EPA/Jeon

Australiens Ministerpräsident Scott Morrison erwägt einem Medienbericht zufolge als Teil der Maßnahmen gegen die Virus-Epidemie die direkte Auszahlung von Geld an die Bürger. Allerdings sträuben sich die Finanzbehörden dagegen, berichtet Sky News. Erwartet wird ein Maßnahmenpaket der Regierung in Höhe von zehn Milliarden AU-Dollar (etwa 5,6 Milliarden Euro).

Erste Fälle in Albanien

Albanien hat in der Nacht auf Montag die ersten beiden Coronavirus-Fälle gemeldet. Es handle sich um einen Vater und dessen Sohn, die aus Italien zurückgekehrt seien, teilt das Gesundheitsministerium mit. Beide seien in einem stabilen Zustand.

Hilfen für deutsche Unternehmen

In Deutschland ist die Zahl der bestätigten Coronavirus-Ansteckungen bis Montagfrüh auf 1.112 gestiegen. Allein in Nordrhein-Westfalen gab es bereits 484 Infektionen, wie aus den aktuellen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorging. In Bayern wurden demnach inzwischen 256 Fälle bestätigt, in Baden-Württemberg steckten sich den offiziellen Zahlen zufolge bereits 199 Menschen an.

Die deutsche Regierung hat sich auf ein umfangreiches Paket zur Abfederung von wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise geeinigt. Dazu sollen unter anderem die Hürden für den Bezug von Kurzarbeitergeld deutlich gesenkt werden. Arbeitgeber sollen anders als bisher die Sozialbeiträge für die ausgefallenen Arbeitsstunden voll erstattet bekommen.

Das beschloss der Koalitionsausschuss in der Nacht auf Montag in Berlin bei seiner Sitzung im Kanzleramt. Die große Koalition will zudem ein milliardenschweres zusätzliches Investitionspaket schnüren. "Wir werden die Investitionen des Bundes in den Jahren 2021 bis 2024 um jeweils 3,1 Milliarden Euro verstärken und so vereinbarte Investitionspfade ausbauen und neue Prioritäten in Höhe von insgesamt 12,4 Milliarden Euro ermöglichen", heißt es in dem 14-seitigen Beschluss von Union und SPD. (red, APA, 9.3.2020)