Teils übernehmen Angehörige die Tagesbetreuung ihrer Alten, wo nötig, kommt mobiles Pflegerpersonal.

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Wien – Herr N. war einigermaßen überrascht. Der diplomierte Krankenpfleger aus Oberösterreich (Name der Redaktion bekannt) versteht die Welt nicht mehr. Hochqualifiziertes Pflegepersonal ist in der Coronaviruskrise Mangelware, und er wurde in Kurzarbeit geschickt. Mitgeteilt wurde ihm dies von seinem Dienstgeber Volkshilfe per Kurznachricht aufs Handy – auch, dass er rückwirkend per Mitte März zur Kurzarbeit angemeldet wurde.

Wie lange diese Phase reduzierten Arbeitens bei auf 90 bis 80 Prozent gekürztem Gehalt dauern wird, sei ihm nicht mitgeteilt worden, sagt Herr N. Das stehe noch nicht fest. Und er fragt sich, ob dieser Transfer im Sinne des Gesetzgebers sei. Kurzarbeit sei doch für Ausfälle in Produktionsbetrieben oder im Gastgewerbe konzipiert worden.

Bund fördert Länder

Die Frage scheint nicht unberechtigt. Denn wohl steht die Kurzarbeit allen Unternehmen offen und damit natürlich auch privaten, nichtgewinnorientierten Sozialeinrichtungen. Deren Auftraggeber ist allerdings die öffentliche Hand, in Oberösterreich sind dies die Gemeinden, die Hilfswerk, Volkshilfe, Caritas oder andere soziale Einrichtungen im Wege ihrer Sozialhilfeverbände mit der Erbringung sozialer Dienstleistungen beauftragen. Die Hälfte dieser Kosten trägt das Land.

Auch die mobile Betreuung wurde eingeschränkt, um Pflegebedürftige Menschen vor Coronainfektion zu schützen.
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"Die Versorgung ist gewährleistet, die bisher betreuten Personen werden weiterhin versorgt", beruhigt der Geschäftsführer der Volkshilfe Oberösterreich, Bernhard Gruber. Allerdings gehörten die Klienten, durchwegs alte und gebrechliche Menschen, zu Hochrisikogruppen, und deshalb seien die Sozialeinrichtungen von den Gesundheitsbehörden angehalten, die sozialen Kontakte auf ein Minimum zu beschränken. Mobile Pflegekräfte sollen tunlichst nur nur essenzielle Dienste wie Körperpflege, Sanitäts- und medizinische Versorgung durchführen, um die Klienten nicht zu gefährden. Dadurch sei die Auslastung der 350 bis 400 Mitarbeiter in den mobilen Diensten der Volkshilfe massiv gesunken, sagt Gruber.

Beträchtliche Umsatzverluste

"Der Kunden- und der damit verbundene Umsatzrückgang sind beträchtlich", skizziert der Geschäftsführer der im Verband Sozialwirtschaft versammelten Sozialdienstleister, Walter Marschitz, die Problemlage. Statt 3000 Kindern, die sonst betreut würden, seien es wegen der Coronaviruskrise nur noch 20, die meisten sozialökonomische Betriebe seien geschlossen. Allein aus kaufmännischer Vorsicht müssten die Geschäftsführer der Non-Profit-Organisationen Kurzarbeit anmelden. Denn die Verbände können den Trägern nur noch weniger Stunden verrechnen und blieben sonst auf den Kosten sitzen, es drohte Insolvenzgefahr. "Deshalb fordern wir, dass die Bundesländer den Einnahmenentfall ersetzen." Dieser Ruf wurde bisher nicht erhört, daher sei die Kurzarbeit ohne Alternative.

4800 Beschäftigte in Kurzarbeit

"Die Sozialwirtschaft erbringt letztlich eine Dienstleistung wie die sonstige Wirtschaft auch", rechtfertigt Marschitz die inzwischen 80 bewilligten Kurzarbeitsanträge diverser Mitgliedseinrichtungen. Österreichweit seien an die 4800 Mitarbeiter betroffen – von insgesamt 76.000 Beschäftigten in der Sozialwirtschaft.

Der These, dass damit letztlich ein Finanzausgleich durch die Hintertür in Gang gesetzt wird, weil der Bund die Kosten für die Kurzarbeit trägt und die Länder exkulpiert werden, widerspricht der Sozialwirtschaft-Geschäftsführer nicht. Es gehe darum, kritische Bereiche aufrechtzuerhalten und vor allem verfügbar zu halten, wenn sich die Coronakrise entspanne und auf Normalbetrieb wieder hochgefahren werde.

Hundert Millionen für 24-Stunden-Pflege

Von den hundert Millionen Euro für Pflege, die der Nationalrat heute, Freitag, beschließt, ist diesbezüglich kein Zufluss zu erwarten. Dieses Geld ist für Ausfälle in der 24-Stunden-Betreuung reserviert, wenn Pflegerinnen aus den neuen EU-Ländern wegen der Grenzsperren nicht nach Österreich kommen können. Um diese Ausfälle zu kompensieren, brauchen wir dann unsere mobilen Dienste, sagt Oberösterreichs Soziallandesrätin Birgit Gerstbauer (SPÖ). Die Corona-Flexi-Kurzarbeit ermögliche die rasche Reaktivierung derzeit ausgedünnter Strukturen. (Luise Ungerboeck, 3.4.2020)