Nigiri und Rolls, Kitsune Soba und Tempura Udon, Nigiri und Bento-Boxen: Wenn Sakai liefert, ist Japan zu Gast.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Natürlich ist es frivol, Nigiri auf die Reise zu schicken. Was im Idealfall, in Sushi-Bars zwischen Tokio und Kioto, der wenige Zentimeter lange Weg zwischen der Hand des Meisters und dem Mund des Gastes ist (mit dem kurzen Zwischenstopp auf der frisch polierten Theke), wird damit auf tausende Meter ausgedehnt.

Es erklärt sich von selbst, dass das, was schlussendlich ankommt mit dem, was ursprünglich auf den Weg geschickt wurde, nur noch in Ideen-Bruchteilen Gemeinsamkeit haben kann.

Anderseits ist Sushi in Österreich eh nie so angekommen, wie es die Japaner erdacht haben. Die rein optisch an Maki und Nigiri erinnernden Reispatzel aus den Theken der Supermärkte sorgen seit Jahr und Tag mit gut gekühlter Bakterienkonzentration für Umsatz.

Das meiste "Sushi" wurde bis zur Krise von den All-you-can-eat-Buffets "asiatischer" Restaurants gegriffen oder via Take-out an den trauten Fernseher gekarrt. Man kann also verstehen, wenn auch die ganz wenigen, tatsächlich japanischen Anbieter sich mit der Zeit den lokalen Gegebenheiten geschlagen geben.

Beeindruckender Variantenreichtum

Das Sakai in Wien-Josefstadt aber hat sich dem Wunsch nach Take-out-Sushi nie gebeugt. Immerhin ist Sakai Hiroshi-san, einst Chefkoch im Unkai, einer von wenigen Japanern in Wien, die sich der Küche ihrer Heimat mit Niveau widmen. Aber jetzt sind halt ganz eigene Zeiten, da muss mitunter auch das Selbstverständnis infrage gestellt werden.

Für Sakai bedeutet dies, dem Drängen von Stammgästen nachzugeben und eine vergleichsweise schmale Auswahl vorbestellter Speisen seiner Karte abholen zu lassen. Zustellung ist in manchen Bezirken bei Bestellung am Vortag möglich.

Sakais Nigiri-Selektion war seit je eine der besten der Stadt. Auch jetzt ist es mehr als beeindruckend, was der Meister an Variantenreichtum sicherstellen kann. Der Reis, locker, im Biss definiert und mit prächtigem Glanz, ist sowieso einer der eindeutig Besseren.

Drei verschiedene Cuts vom Mebachi-Tunfisch – Tenpane, Akami und Kawame – sorgen für betörende Nuancen in Biss und Schmelz, fantastisch. Roher Kalmar wird mit rotem Capelin-Rogen garniert, wie kernige Seide mit Knister. Gesäuerte Sardine bekommt Yuzukosho aus mit Chili fermentierter Zitrusfrucht obenauf, eine intensiv duftige Essenz, wie Parfum einer feinen Dame – am Fischmarkt.

Unagi gerät wunderbar fett und süß, wie es sich für Aal auf Japanisch gehört. Lachs, dicht marmoriert (nicht die Speckseite aus Norwegen), wird mit einem Extrakick Umami in Form von Ikura garniert – wunderbar.

Nicht hinschauen

Die eigentlichen Umsatzbringer aber sind laut Sakai die feist garnierten Fantasy Rolls – obwohl sie als eher mittelprächtig gequetschtes Massaker beim Kunden ankommen. Auch wenn Geschmack und Konsistenz schließlich gleich bleiben, hinschauen darf man besser nicht.

Sakais Nigiri-Selektion war seit je eine der besten der Stadt.
Foto: Gerhard Wasserbauer

California Roll mit Avocado, Krabbenmayo, Garnelen innen und Ikura, frittiertem Lauch, Tempuraknusper außen ist schon ziemlich spektakulär böse, die Spicy Tuna mit Tunfisch, Chili, Sesamöl und Mayo innen und reichlich knistersalzigem Masago, Shiso sowie, natürlich, noch mehr Kewpie, kann es aber auch.

Viel hübscher – und wirklich gut: die Udon- und Soba-Nudeltöpfe mit Ebi-Tempura oder gebackenem Tofu, für die man sich den zart rauchigen Dashifond aber separat erhitzen muss.

Von den Bento-Boxen (in segmentierten Kartonschüsseln geliefert) ist jene mit Tsukune – gegrillten Fleischbällchen – der mit Karaage haushoch überlegen – ganz einfach, weil das knusprig gebackene Hendl sich auf dem Weg zum Kunden erwartungsgemäß in Wellpappe verwandelt hat. (Severin Corti, RONDO, 10.4.2020)