Der Präsident des Europäischen Forschungsrates (ERC), Mauro Ferrari, ist zurückgetreten. Der italienische Experte auf dem Gebiet der Nanomedizin, der erst seit Anfang Jänner den Posten bekleidete, begründete den Rücktritt mit seiner Enttäuschung über Europas Reaktion auf die Coronavirus-Epidemie. Die österreichische Wissenschaftsforscherin und ehemalige ERC-Präsidentin Helga Nowotny bezeichnete den Schritt als "tragisches Ende", das sich aber schon länger angekündigt habe.

Ferrari reichte seine Kündigung am Dienstagnachmittag bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein, nachdem er mit seinem Vorstoß, im Rahmen des auf die Förderung von Grundlagenforschung ausgelegten ERC ein umfangreiches eigenes Förderprogramm zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie abzuwickeln, gescheitert war.

"Ich hatte die Führung des ERC als überzeugter EU-Befürworter übernommen. Doch wegen der Covid-19-Krise habe ich meine Meinung komplett geändert, auch wenn ich nach wie vor mit Enthusiasmus die Idee der internationalen Zusammenarbeit unterstütze", sagte Ferrari im Interview mit der Tageszeitung "Financial Times".

"Völlige Umorientierung so nicht umsetzbar"

Für Nowotny hätte der Vorschlag an die EU-Kommissionspräsidentin eine "völlige Umorientierung" für den europäischen Forschungsrat bedeutet. "Man kann aber keine Institution, die auch rechtliche Grundlagen hat, von einem Tag auf den anderen umpolen."

Ferraris Pläne hätten vorgesehen, den ERC "als große Koordinationsagentur für die ganze Union" aufzustellen, was sich so nicht umsetzen ließe, sagte die Forscherin, die den ERC von 2010 bis 2013 als Präsidentin geleitet hat. Dass Ferrari auch nach seinem Amtsantritt vor erst etwas mehr als drei Monaten viel Zeit in den USA verbracht habe, wo er vielfältig engagiert ist, habe auch zu dem Eindruck beim Scientific Board des ERC beigetragen, "dass er zu wenig Zeit in Brüssel verbringt. Das hat sich also angekündigt. Es tut mir leid für ihn, es war aber auch eine Fehleinschätzung der Möglichkeiten seinerseits", so Nowotny.

Ferrari hätte vier Jahre als ERC-Präsident im Amt bleiben sollen. Die EU-Kommission hatte für den ERC eine erhebliche Aufstockung des Budgets von 13,1 Mrd. Euro im Zeitraum 2014-2020 auf 16,6 Mrd. Euro für den Zeitraum 2021-2027 vorgeschlagen. (red, APA, 8.4.2020)