Während die Zahl der am neuartigen Coronavirus erkrankten Menschen in Österreich nicht mehr exponentiell wächst, ist das eingetreten, wovor viele Ökonomen gewarnt haben. Das Ausmaß der Wirtschaftskrise wächst exponentiell. Aktuell sind knapp 900.000 Menschen zur Kurzarbeit beim AMS angemeldet worden – hinzu kommt eine halbe Million Arbeitsloser. Die Konjunkturprognosen werden düsterer und düsterer.

Dieser wirtschaftliche Absturz ist wie die Pandemie ein globales Phänomen und findet überall statt. Wer allerdings genau hinsieht, kann einige Unterschiede erkennen. Für Diskussion sorgt aktuell ein Vergleich zwischen Österreich und Deutschland, und zwar, was den Arbeitsmarkt betrifft. Während in Österreich eine Horrormeldung die nächste jagt, ist es in der Bundesrepublik bisher auffallend ruhig gewesen.

Die deutsche Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt in ihren Veröffentlichungen immer nur die Entwicklung bis Mitte des Monats. Aktuell gibt es also aus Deutschland nur veröffentlichte Zahlen zum Arbeitsmarkt, die bis Mitte März zurückreichen. In diesen Werten ist der Shutdown nicht enthalten.

Eine Schätzung aus Deutschland

Der Chef der Bundesagentur, Detlef Scheele, sagte allerdings Ende des Monats, dass er erwarte, dass die Arbeitslosigkeit von Mitte März bis Mitte April um 150.000 bis 200.000 Personen steigen werde. Eine solche Schätzung ist zwar mit vielen Unsicherheiten verbunden. Die Bundesagentur erhält aber laufend alle Arbeitsmarktdaten, seine "Schätzungen" beruhen also auf der tatsächlichen Entwicklung Ende März. Die Entwicklung in Österreich mutet im Vergleich viel dramatischer an.

Hier gab es mit Ende März 200.000 Arbeitslose mehr als vor einem Jahr und 100.000 mehr als im Februar. Diese Differenz liegt an den saisonalen Schwankungen. Nun ist es aber egal, welche dieser Zahlen man heranzieht, diese Werte deuten darauf hin, dass der Jobmarkt in Deutschland weniger von der Krise getroffen wurde bisher.

Im Vergleich mit der Bundesrepublik gilt unter Ökonomen meist ein Maßstab von 1:10. Alles, was bei uns geschieht, wird mal zehn multipliziert und wird so vergleichbar mit der Entwicklung in Deutschland. Aktuell bewegt sich der Anstieg in beiden Ländern in ähnlichen Dimensionen, von 1:10 keine Spur.

Deutlich mehr betroffene Beschäftigte

Erklärungen dafür gibt es mehrere. Zunächst hat der Tourismus für Österreich eine größere Bedeutung als für Deutschland, sagt der Ökonom Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Laut Eurostat arbeiten in Deutschland 9,4 Prozent der Beschäftigten in der Gastronomie oder Hotellerie. In Österreich sind es 14,5 Prozent. Während Handel und Industrie stark auf Kurzarbeit setzen und weniger Mitarbeiter vor die Tür gesetzt haben, wurde im Tourismus massiv gekündigt. Das muss sich stärker auswirken. 40 Prozent der zusätzlichen Arbeitslosigkeit kamen in Österreich bisher aus dem Tourismus, wie der Ökonom Helmut Mahringer vorrechnet.

Schmerzhaftes Saisonende

Es kommt noch ein Effekt dazu. Die Skisaison ist im März vorzeitig zu Ende gegangen. Viele Saisonkräfte sind schon im März beim AMS vorstellig geworden statt wie sonst üblich im April. In Deutschland gibt es einen ähnlichen Sprung nicht, weil dort vor allem der Sommertourismus wichtig ist. Diese Entwicklung hat die Arbeitslosenzahlen in der Statistik in Österreich hochgetrieben. Dieser Effekt dürfte mit den Aprilwerten abnehmen.

Bild aus besseren Zeiten: Die Gastronomie steht still. Das trifft den Arbeitsmarkt.
Foto: APA

Getroffen hat Österreich aber auch die Entwicklung am Bau: Viele Baustellen standen im März still. Am Bau hat sich die Zahl der Arbeitslosen verdoppelt, 28.000 Menschen verloren ihren Job. In Deutschland dagegen lief der Bau durch, hier stieg sogar die Nachfrage nach Arbeitskräften.

Bau, Tourismus, Saisoneffekt also. Was dauerhaft von dieser Differenz übrigbleiben wird, ist offen. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich als in Deutschland für 2020 – das dürfte vor allem am Tourismus liegen.

Keine offiziellen Zahlen gibt es zur Kurzarbeit in Deutschland. Laut Befragung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung unter 7600 Beschäftigten geben 14 Prozent an, in Kurzarbeit zu sein. Das entspricht vier Millionen Beschäftigten und wäre deutlich weniger als 1:10 im Vergleich zu Österreich. Allerdings: Deutsche Ökonomen prognostizieren die Zahl der Kurzarbeiter auch mit Google-Anfragen. Nimmt man das als Basis, sind aktuell zwölf Millionen Menschen in Kurzarbeit. Offizielle Zahlen soll es bald geben. (András Szigetvari, 23.4.2020)