Der sechstgrößte Mond im Sonnensystem, Europa, gilt als vielversprechender Kandidat für die Suche nach außerirdischem Leben. Unter den 79 bekannten Jupitermonden ist Europa der viertgrößte – und erinnert in vieler Hinsicht eher an einen Planeten als an einen primitiven Trabanten. So besitzt er einen inneren Schalenaufbau mit Eisenkern und eine dünne, sauerstoffreiche Atmosphäre.

Europa, der viertgrößte Jupitertrabant, fasziniert Forscher seit langem. Auf der Mondoberfläche herrschen eisige Temperaturen, doch darunter existiert ein gigantischer Ozean.
Foto: NASA/JPL-Caltech/SETI Institute

Besonders interessiert Wissenschafter aber, was der Mond unter seiner eisigen Kruste verbirgt: Dort befindet sich ein gigantischer Ozean aus flüssigem Wasser, in dem einfaches Leben theoretisch möglich wäre. Eine Studie erhärtet nun den Verdacht, dass Europa immer wieder Wasserfontänen aus diesem unterirdischen Reservoir ins All spuckt. Für künftige Missionen zur Erforschung des Mondes wäre das ein Glücksfall.

Magnetfeld-Mysterium

Konkret berichtet ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Geophysical Research Letters" von Hinweisen auf ein solches Ereignis in der Vergangenheit: Wie neue Datenanalysen nahelegen, dürfte Europa während eines Vorbeiflugs der Nasa-Raumsonde Galileo vor zwanzig Jahren Wasser ausgespien haben.

Das Team um Hans Huybrighs vom Europäischen Weltraumforschungszentrum im niederländischen Noordwijk und Norbert Krupp vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen untersuchte Messdaten des Galileo-Vorbeiflugs im Jahr 2000 nun erneut. Schon damals wurden Abweichungen im Jupiter-Magnetfeld nahe dem Mond registriert, die auf eine Wasserfontäne zurückgehen könnten.

Gefrorener Mond: Europa auf einer Aufnahme der Raumsonde Galileo.
Foto: NASA/JPL/University of Arizona

Verschwundene Protonen

Nachweisen ließ sich das aber nicht. Huybrighs und Kollegen suchten nach weiteren Hinweisen auf ein solches Ereignis – und fanden sie in den Aufzeichnungen eines Teilchendetektors der Sonde. Das Instrument zeichnete während der Galileo-Mission unter anderem die Verteilung hochenergetischer Protonen auf, die im Jupiter-Magnetfeld gefangen sind.

"Das Magnetfeld des Jupiters ist bis zu zwanzigmal so stark wie das der Erde und reicht Millionen Kilometer ins All hinaus", sagt Krupp. Europa umkreist ihren Planeten innerhalb dieses gewaltigen Schutzschildes, doch Galileos Detektor verzeichnete weitaus weniger Protonen in der Nähe des Mondes als erwartet. Hatte Europa selbst die Sicht des Instruments verstellt? Um diese Frage zu beantworten, versuchten die Forscher, die Bewegung der Protonen während des Vorbeiflugs in Computersimulationen zu reproduzieren. In allen Modellen gelang dies jedoch nur unter einer Annahme: nämlich dass eine Wasserfontäne die Umgebung von Europa während der Messung beeinflusste.

Eisvulkane im Verdacht

Wenn die hochenergetischen Protonen im Jupiter-Magnetfeld auf ungeladene Teilchen aus der Atmosphäre des Mondes oder einer Wasserfontäne treffen, nehmen sie Elektronen von diesen auf und werden so selbst zu ungeladenen Teilchen. "Dadurch sind sie nicht länger im Magnetfeld des Jupiters gefangen und können das System mit hoher Geschwindigkeit verlassen", sagt Huybrighs.

Genau einen solchen Vorgang legen die Daten nahe. Wasser durchbrach demnach Europas dünne Atmosphäre, störte das Magnetfeld und beeinflusste damit die Dynamik und das Vorkommen der Protonen im Umfeld.

Wie aber kommen Europas Wasserfontänen überhaupt zustande? Der Mond wird von einem 18 Kilometer dicken Panzer aus Wassereis umhüllt, unter dem wiederum ein etwa 100 Kilometer tiefer Ozean liegt. Die wahrscheinliche Antwort liefern andere Eismonde wie der Saturntrabant Enceladus: Dort sorgt Kryovulkanismus, eine Form von Vulkanismus, die nur unter sehr niedrigen Temperaturen entsteht, für spektakuläre Wasserausstöße.

Jupitermission in Vorbereitung

Mehr Aufschlüsse über Europa und andere Jupitermonde soll schon Ende des Jahrzehnts die europäische Raumsonde Juice (Jupiter Icy Moons Explorer) geben: Der Start ist für 2022 geplant, 2029 soll sie das Jupitersystem erreichen und Europa, Kallisto und Ganymed erkunden. Sollte Europa zur Begrüßung ihren Springbrunnen aufdrehen, ließe sich vielleicht auch mehr über die Lebensfreundlichkeit ihres verborgenen Ozeans herausfinden. (David Rennert, 14.5.2020)