Dr. Mai Thi Nguyen-Kim hat sich mit ihren klugen Science-Videos ein Millionenpublikum erarbeitet und auch zu Covid-19 mehrfach die Stimme der Vernunft erhoben.

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Ihre Popularität gibt Hoffnung, dass die Verschwörungstheoretiker doch nicht die Diskurshoheit erobern werden: Nicht nur der dumpfe Unsinn von Leuten wie Xavier Naidoo oder Attila Hildmann macht auf Youtube Quote: Auch die Videos der deutschen Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim erreichen spätestens seit dem Beginn der Pandemie regelmäßig ein Millionenpublikum. Und ihre langen, aber nie langweiligen Clips sind immer wieder ähnliche Sternstunden der Wissenschaftskommunikation wie Podcast-Folgen des Virologen Christian Drosten.

Am 1. April 2020 aufgenommen, hat dieses Video mittlerweile über sechs Millionen Zugriffe.
maiLab

Star des deutschen Wissenschaftsjournalismus

Kein Wunder, dass die promovierte Chemikerin begehrter Talkshow-Gast ist, um dort stets sachlich und kompetent über Covid-19 zu informieren, stets auf Basis aktueller Forschungsergebnisse, klar in der Aussage und meist auch mit einer guten Prise Ironie. Dass es die Tochter vietnamesischer Einwanderer, die ihre Zuseher warmherzig als "Freunde der Sonne" begrüßt, zum vielfach ausgezeichneten Star des deutschen Wissenschaftsjournalismus bringen würde, war alles andere als vorgezeichnet – und vor ein paar Jahren auch noch für sie selbst völlig undenkbar.

Nach einem "Einser-Abi" studierte sie in Mainz Chemie, forschte zwischendurch am MIT und in Harvard, um 2017, zurück in Potsdam, zu promovieren. Eine Karriere in der Chemie wäre nur logisch gewesen, zumal sie auch schon ein lukratives Forschungsleiter-Angebot von BASF in der Tasche hatte. Und ihr damaliger Verlobter und jetziger Ehemann hatte gerade eine Stelle in der Pharmaindustrie angenommen.

Umgeworfene Karriereplanung

Doch im März 2017 entschied sich Nguyen-Kim, die neben dem Studium mit dem "Youtuben" begonnen hatte, gegen die Chemiekarriere. Ihr wichtigster Beweggrund war, dass alternative Fakten immer mehr Beachtung geschenkt wurden und der Wissenschaft immer weniger geglaubt wurde.

Diese hat seitdem mit Nguyen-Kim eine großartige und höchst engagierte Fürsprecherin bekommen, die auf allen möglichen Kanälen aktiv ist. Die 32-Jährige macht nicht nur bei ihren maiLab-Videos, die im Rahmen des Netzwerks "Funk" von ARD und ZDF online gehen, in einem sehr kelinen Team sehr viel selbst. Sie hat 2019 auch noch den Bestseller "Komisch, alles chemisch!" (Droemer) veröffentlicht und moderiert unter anderem auch noch die TV-Wissenschaftssendung "Quarks" abwechselnd mit anderen Kollegen. Daneben wurde sie vor wenigen Wochen auch noch erstmals Mutter und hat gleich auch ein Video über Väter als Kindererzieher gemacht.

Nguyen-Kims Mann ist nämlich in Elternzeit, arbeitet nur noch einen Tag in der Woche für die Firma und kümmert sich ansonsten um das Baby und die E-Mails der Vielbeschäftigten, deren Verdienste auch in Österreich gewürdigt werden: Am 24. November wird ihr in Wien der mit 20.000 Euro und einem Glas Alpaka-Kot dotierte Heinz Oberhummer Award für Wissenschaftskommunikation 2020 verliehen werden. (Klaus Taschwer, 28.5.2020)