In fast allen Bereichen wurden die im März beschlossenen Corona-Maßnahmen seither stark gelockert. Die zwangsverlängerten Zivildiener müssen hingegen noch immer ihr Arbeitsgewand anlegen

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Fast ein Jahr lang müssen sie mittlerweile dienen. Eigentlich hätten sie ihren Zivildienst Ende März beenden dürfen – nach neun Monaten, so wie alle anderen auch. Doch es kam anders: Die Regierung rief Mitte März, zeitgleich mit der Verhängung des Corona-Lockdowns, erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik einen "außerordentlichen Zivildienst" aus, um das Gesundheitssystem in der Krise zu unterstützen. 1500 junge Männer hatten keine Wahl und wurden für drei Monate zur Verlängerung ihres Einsatzes verpflichtet.

Zusätzlich wurden frühere Zivildiener mobilisiert, um freiwillig noch einmal für ein paar Monate einzurücken. Die Bereitschaft war groß, rund 3.000 wurden tatsächlich einberufen.

Stimmung eher mau

Unter vielen Verlängerten ist die Stimmung im Endspurt ihres Dienstes eher mau – und das nicht nur, weil sie mit rund 900 Euro pro Monat wesentlich weniger verdienen als die freiwilligen Sonder-Zivis, die auf knapp 1.700 Euro netto kommen. Für Unverständnis sorgt bei ihnen auch, dass sie trotz minimaler Corona-Zahlen ihren Dienst noch immer nicht beenden dürfen, während zugleich im Juni keine neuen freiwilligen Zivis herangezogen werden, was Zivildienstministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) selbst mit der Entspannung im Gesundheitswesen begründet. Die beim Ministerium angesiedelte Zivildienstserviceagentur erklärt, dass der Einsatz aller außerordentlichen Zivildiener von den Einrichtungen, die ja ihre Nachfrage der Behörde monatlich mitteilen, nach wie vor als notwendig rückgemeldet werde.

Anfangs Zivildiener-Überschuss in Wien

Der grüne Zivildienstsprecher David Stögmüller steht dieser Argumentation allerdings skeptisch gegenüber und ortet ein Anreizproblem: "Die Organisationen sind ja nicht blöd, natürlich melden die zurück, dass sie die Zivildiener noch haben wollen. Und wenn es zuviel sind, sitzen halt ein paar herum. Man muss sich schon fragen, ob die Anforderungen wirklich noch da sind."

Es gibt indes auch Fälle, in denen freiwillige Zivildiener zwar einer Einrichtung zugewiesen wurden, dort aber nie physisch präsent waren. Vor allem in Wien gab in der Anfangsphase eine Diskrepanz zwischen den Zuweisungsbescheiden der Agentur und dem tatsächlichen Bedarf, wie der STANDARD vom Wiener Roten Kreuz erfuhr, das in der Hauptstadt für die Verteilung der Sonder-Zivis zuständig ist. Angesichts dieser Überkapazitäten sei es trotz insgesamt "hervorragender Koordination" nicht gelungen, alle Freiwilligen aufzuteilen und einzusetzen. So auch im Falle des 25-jährigen Studenten und ausgebildeten Sozialarbeiters Jakob, der sich für zwei Monate als freiwilliger Zivildiener engagieren wollte und einberufen wurde. Allerdings mit unerwartetem Ausgang, wie er erzählt: "Im April wurde ich zwar bezahlt, aber gearbeitet habe nicht. Es hieß nur, dass ich mich bereithalten soll, weil sie vorerst keine Stelle für mich haben."

Die Zivildienstserviceagentur macht zur Zahl jener Zivildiener, die de facto nie beschäftigt waren, auf Anfrage keine konkreten Angaben, spricht aber von einer "strategischen Reserve", die man für neue Entwicklungen vorgehalten habe. Jakob jedenfalls erhielt Ende April ein Schreiben der Zivildienstagentur, wonach im Mai selbst sein Reservistendasein obsolet sei. Wegen der großen Anzahl an Zivis bestehe "kein Bedarf an Ihrer Dienstleistung", wurde ihm beschieden.

Erst Geld für nichts, dann kein Geld

Sein Einsatzzeitraum werde daher um einen Monat verkürzt, entschied die Behörde. Das Einkommen, mit dem Jakob für Mai gerechnet hatte, fiel damit plötzlich weg, finanzielle Kompensation für das jähe Ende erhielt der Student keine: "1700 Euro ist schon viel Geld, das ich auf einmal aus meinen Plänen streichen musste. Und so kurzfristig habe ich dann nichts mehr Anderes gefunden. Ich war wahrscheinlich nicht der Einzige, dem das passiert ist."

Diese Vermutung bestätigt dem STANDARD auch die Zivildienstserviceagentur, die angibt, dass sie bei 250 außerordentlichen Zivis den Einsatz verkürzt hat. In dieser Zahl seien aber auch Fälle enthalten, in denen die Verkürzung – anders als bei Jakob – dem Wunsch des Betroffenen entsprach.

Die wohl größte Gruppe, die sich eine Verkürzung wünscht, bekam sie allerdings nicht. Ein Antrag der Neos im Nationalrat, dem auch SPÖ und FPÖ zustimmten, sah die Abberufung der verlängerten Zivildiener Anfang Juni vor, was von den türkis-grünen Regierungsfraktionen abgelehnt wurde. Grün-Mandatar Stögmüller merkt jedoch an, dass mehr Flexibilität bei der Behandlung der verlängerten Zivildiener sinnvoll gewesen wäre. Man solle die neuen Erfahrungen alsbald nützen, um in der Koalition eine generelle Reform des veralteten Zivildienstgesetzes zu verhandeln. (Theo Anders, 13.6.2020)