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Ein solcher spezieller, magnetischer Unternehmensgeist entsteht nur, indem er entfesselt wird. Zwischen Menschen, von Menschen. Gemeinsam.

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Die Digitalisierungseuphorie ist aktuell so groß wie nie. Kaum ein Unternehmen, das nicht seinen durch Corona erzwungenen Jump-Start ins Virtuelle preist und zusieht, wie am Zusammenarbeiten auf Distanz intensiv weitergebaut werden kann. Es ist praktisch, kostensparend, beschleunigend und – so scheint’s – produktiver. Dieser Gleichschritt wird noch einige Überraschungen bringen.

Eine davon wird sein, dass der eigentliche Kern der Firma und damit der Hauptgarant für die Zukunftsfähigkeit nicht digitalisierbar ist: der Spirit. Das, was Konzerne jahrelang versuchten, von Start-ups zu kopieren, von Beratern designen zu lassen oder von Trainern einzuüben. Das ist nicht gelungen. Weil ein solcher spezieller, magnetischer Unternehmensgeist nur entsteht, indem er entfesselt wird. Zwischen Menschen, von Menschen. Gemeinsam. Mit dem ach so praktischen Mut und Unmut des Zusammenarbeitens per Video klappt das nicht. Spirit, diese besondere Atmosphäre, die inspiriert und begeistert für die Arbeit, hat keinen Platz in strikter Prozesstreue und sauberstem Ablaufmanagement. Diese tollen Ideen, diese große Kraft, die später in Erfolgszahlen gegossen werden, kommt nicht aus der hygienischen, vom Spüren befreiten Distanz, sondern aus dem Gefühl der Gestaltungsfreiheit, der Wertschätzung, der sinnvollen Arbeit. Das Grundgefühl ist Leben und Vitalität – in echt, nicht als virtuelle Kulisse, vor der alles problemlos läuft.

Spirit ist aber auch ein Kind der Leichtigkeit, der Angstfreiheit und der Neugier. Führungskräfte, die solche Flügel rein virtuell verleihen können, gibt es nicht. Den Wind muss man schon spüren, darüber nur remote zu reden erzeugt nicht die Energie, die trägt. Das Knistern im Kamin, der spezifische Geruch des jeweiligen Holzes, die Unmöglichkeit, die Temperatur immer strikt unter Kontrolle zu halten – das lässt sich nicht durch einen Bildschirm mit Fernkontrolle ersetzen. Zugehörigkeit entsteht nicht durch einen fixen Einwahl-Link in die Konferenz. Es geht schon. Aber schon jetzt dämmert: Es ist zäh, es ist anstrengend, es ist leer.

Den Zyklen folgend wird wohl in einiger Zeit der Imperativ der Berater statt "mehr digital" wieder lauten: "Wir brauchen echte Menschen." (Karin Bauer, 5.7. 2020)