Im Gastkommentar spricht sich der IGGÖ-Präsident Ümit Vural dafür aus, dass die Hagia Sophia "in ihrer Besonderheit weiterhin geschützt und allen Menschen offen zugänglich" bleibe.

Als Kirche erbaut, dann Moschee, Museum und nun – auf Betreiben von Recep Tayyip Erdoğan – wieder Moschee: die Hagia Sophia in Istanbul.
Foto: Imago

Die Hagia Sophia war 1500 Jahre ein Haus des Gebetes, bevor sie für knapp 100 Jahre ein Museum wurde, ein Haus, in dem wir unsere gemeinsame Geschichte aufbewahren. Eine Geschichte, die über den Islam und das Christentum hinausgeht, wie das Runengraffito auf den Galerien der Hagia Sophia belegt. Ich begrüße es, dass dieses außergewöhnliche Gotteshaus wieder für seinen ursprünglichen Zweck genutzt wird: das Gebet.

Kirche und Moschee

Nichtsdestotrotz ist leider auch Kritik angebracht, sowohl an der Art, wie die Diskussion geführt wird, als auch an der Weise, wie dieses Museum wieder zur Moschee wurde. Beidem liegt Ausgrenzung und Konfliktwilligkeit zugrunde. Während die Kritik an der Umwidmung genau jene antitürkischen und antimuslimischen Ressentiments bedient und sich aus ihnen befeuert, die wir überwinden sollten, wird die Umwidmung eines Museums, das uns allen gehört, in ein Gotteshaus, das einer Religion gehört, der Geschichte der Hagia Sophia nicht gerecht. Dieses Gotteshaus war zuvor beides: Kirche und Moschee. Es sollte im Sinne eines Zusammenwachsens unserer Kulturkreise, um Ausgrenzung und Konflikte zu vermeiden, eine gemeinsame Nutzung möglich sein.

Alte Konflikte

Nur auf diese Art kann die Hagia Sophia ihrem Namen gerecht werden und die Weisheit verbreiten, dass wir unsere religiösen Konflikte des finsteren Mittelalters hinter uns lassen müssen. Wir können keine Moscheen mehr in Kathedralen umwandeln, wie es in Córdoba geschehen ist, und keine Kathedralen mehr in Moscheen. Kirchen, Synagogen und Moscheen sind alle Gotteshäuser, und wir glauben alle an den einzigen wahren Gott. Es müsste uns als religiöse Menschen doch positiv stimmen, dass die Hagia Sophia wieder ein Gotteshaus ist, damit wir dann auch dort unsere Gebete zu Gott ausrichten können.

Warten wir nun die gegenwärtig laufenden Renovierungs- und Bauarbeiten ab; wir können nur hoffen, dass dieses menschliche Erbe auch in seiner Besonderheit weiterhin geschützt und allen Menschen offen zugänglich bleibt. Was bereits jetzt schon feststeht, ist, dass nun der Besuch/Eintritt frei und unentgeltlich zu werden scheint. (Ümit Vural, 17.7.2020)