Für Katharina Lantschner ist Spendensammeln nicht nur ein Job. Spaß an der Arbeit haben und Organisationen helfen ist ihre Motivation.

Wortstark

"Fundraiser ist nicht nur ein Sommerjob, wie alle glauben. Ich mache das fast auf den Tag genau schon zwei Jahre Vollzeit und bin mittlerweile auch fest angestellt. In unserer Gesellschaft wird das oft nicht als richtiger Job angesehen. Man hört schon Dinge wie: Such dir einen gescheiten Job, geh was studieren. Das sind halt Menschen, die sich nicht auskennen, aber ich verurteile dafür keinen. Sie werden vielleicht öfter von uns angesprochen oder sind gerade grantig.

Ich komme aus einem kleinen Dorf mit ungefähr 900 Einwohnern aus dem Tiroler Oberland. Nach meiner Ausbildung zur Kinderpädagogin bin ich direkt nach Wien gezogen. Ich wollte immer in die Großstadt. Gleich an meinem ersten Tag, bin ich auf der Mariahilfer Straße einem Fundraiser in die Arme gelaufen. Ich war noch zu jung, um an die Organisation zu spenden, für die er geworben hatte. Sie wollten nur Unterstützer, die über 25 waren. Jedoch hat er gefragt, ob ich nicht Lust hätte, als Fundraiserin bei der Agentur Wortstark zu arbeiten. Ich hatte schon einmal in den Ferien als Dialogerin gearbeitet, außerdem kannte ich noch niemanden in Wien, und es war eine gute Möglichkeit, Leute kennenzulernen.

Eigentlich wollte ich Geschichte studieren. Das hab ich auch versucht, aber dadurch, dass ich recht schnell meinen Platz und Freunde in der Agentur gefunden hatte, war es zum damaligen Zeitpunkt nicht das Richtige für mich. Immer, wenn ich auf der Uni gewesen bin, konnte ich nicht ruhig sitzen und wollte raus auf die Straße. Ich wollte etwas Sinnvolles tun und Spaß dabei haben: Ich wollte Organisationen unterstützen, die Menschen und insbesondere Kindern helfen. Meine Mutter hat jahrelang in der Flüchtlingshilfe gearbeitet, das hat mich geprägt. Natürlich wollte ich auch von dem Job leben. Vielleicht kommt noch der richtige Zeitpunkt zum Studieren.

Als Dialogerin war ich freie Dienstnehmerin. Das Tagesfixum beträgt bei uns 36 Euro, weniger kann man nicht verdienen. Durch die Provisionen kann man es aber erhöhen. Es hängt von der eigenen Motivation ab: Wie sehr häng’ ich mich rein, wie viele Leute möchte ich überzeugen. Je großzügiger die Leute bei der monatlichen Summe sind, die sie spenden, desto mehr bekommt man.

Verdienst

Im Durchschnitt macht ein Dialoger 70 bis 80 Euro pro Tag. Es gibt aber auch welche, die schon auf 150 Euro pro Tag kommen. Außerdem kann man flexibel arbeiten – Vollzeit oder Teilzeit. Von von elf bis 18 Uhr sind wir in der Regel auf der Straße. Vorher sind wir kurz im Büro, um den Tag zu besprechen, auch das persönliche Tagesziel, das sich jeder selbst setzt.

Nach einer Woche hatte ich bereits mein eigenes Team. Das war schon eine Herausforderung für mich: Wie motiviere ich, wie bringe ich mein Team zum Erfolg, wie gehe ich auf meine Mitarbeiter ein? Es gibt durchaus Parallelen zur Kindergartenpädagogenausbildung. Das Gute war, zu diesem Zeitpunkt gab es auch ein Teamleiterseminar. Das hat mir viel gebracht.

Ich war lange Zeit als Teamleiterin tätig, bis ich Projektleiterin wurde. In der Funktion hatte ich auch direkten Kontakt zu den NGOs und habe selbstständiger mit meinem Team gearbeitet. Man hat weniger Coachingunterstützung und muss auch im Monat eine gewisse Spendensumme für eine Organisation gesammelt haben. Projektleiter achten stärker darauf, dass nicht nur junge Studenten angesprochen werden, sondern auch Leute über dreißig. Für diese bekommen wir dann auch extra Provision.

Es ist erwiesen, dass diese Zielgruppe länger eine Organisation unterstützt und ein geregeltes Einkommen hat. Wir wollen ja den Organisationen Qualität bieten und nicht nur auf Quantität gehen. Wir fragen nach dem Alter, um herauszufinden, ob die Leute schon zwanzig Jahre alt sind. Per Gesetz dürfen wir schon mit 18-Jährigen einen Abschluss machen, aber in unserer Agentur machen wir das nicht. Die große Masse der Unterstützer ist um die 25 Jahre alt.

Ansprechen von Passanten

Anfang dieses Jahres bin ich ins Training gewechselt, ich bin angehender Coach. Ich schule neue Kollegen ein und bereite sie auf die Gespräche auf der Straße vor. Dabei erkläre ich auch das Ansprechen von Passanten. Wir reden prinzipiell alle von vorne an und signalisieren schon ein paar Meter vorher, dass wir sie ansprechen möchten. Das Gespräch findet im Stehen statt. Nebenhergehen ist eine Grauzone.

Natürlich probieren wir, das erste ‚Nein‘ zu einem ‚Ja‘ zu machen. Vielleicht probieren wir das auch noch beim zweiten Nein. Wenn wir gleich jedes ‚Ich hab keine Zeit‘ so hinnehmen, dann kommen wir zu keinem Gespräch. Ein bisschen vehement müssen wir schon sein. Viele bleiben stehen, wenn sie sehen, dass wir Spaß an der Arbeit haben und einen Schmäh machen.

Wir haben erwartet, dass die Leute in der Corona-Zeit mehr auf Distanz gehen und es weniger Abschlüsse geben wird. Es ist aber weder schwieriger noch leichter für uns. Wir haben ein Gesichtsschild und achten auf den Ein-Meter-Abstand. Kollegen haben auch schon mit Kreide einen Babyelefanten auf die Straße gemalt." (Protokoll: Stefanie Leschnik, 28.7.2020)