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Wie ging Wirecard CEE mit Einlagen um, und wohin sind 2,7 Millionen Euro kurz vor der Insolvenz geflossen?

Foto: Reuters/Niesner

Durch eine Sachverhaltsdarstellung gelangen die Geschehnisse der Wirecard Central Eastern Europa GmbH wieder in den Fokus. Diese Niederlassung in Graz schlitterte, wie berichtet, nur wenige Tage nach der in München ansässigen Wirecard-Mutter in die Insolvenz. Das Beachtliche daran ist, dass die Wirecard CEE in ihrer Bilanz für das Jahr 2019 (vom Wirtschaftsprüfer TPA am 27. März testiert) einen Gewinn von 8,29 Millionen Euro ausweist. Rund drei Monate später war das Unternehmen mit einem negativen Eigenkapital von 600.000 Euro insolvent.

Die bilanzielle Darstellung von Wirecard CEE gehöre daher überprüft, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung, die Rechtsanwalt Robert Haupt für Cobin-Claims an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft übermittelt hat.

Folgende Punkte sind laut Sachverhaltsdarstellung prüfwürdig:

Einlagengeschäft? Wirecard CEE war jene Stelle, die sich zwischen Händler und Bank zur Abwicklung der Zahlung gestellt hat. Für diese Leistung haben die Händler Wirecard CEE bezahlt – und zwar quartalsweise im Voraus. Wirecard CEE wurde von seinen Geschäftspartnern also bevorschusst, die tatsächlich erfolgten Leistungen wurden aus den Vorauszahlungen bestritten. Blieb am Ende des Quartals Geld übrig, hat der Händler einen Anspruch auf Rückforderung. Der im Unternehmen ausgewiesene Barmittelbestand hätte der Wirecard CEE also nicht uneingeschränkt zur Verfügung gestanden, "sondern vielmehr hätte etwa bei einer kurzfristigen Geldmittelverwendung eine alternative Sicherheit zugunsten der jeweiligen Geschäftspartner hinterlegt werden müssen", heißt es in der Sachverhaltsdarstellung.

Dem Geschäftsmodell der Wirecard-Gruppe – und damit auch der CCE-Tochter – sei die dauerhafte Entgegennahme von Vorauszahlungen der Geschäftspartner über jeweils drei Monate auf eigene Konten der Wirecard CEE systemimmanent und geschäftsmodellspezifisch. Da der Wirecard CEE aber lediglich ein Provisionserlös aus der Abwicklungsleistung zustand, "bildete sich ein dauerhafter Überhang an fremden Vermögen auf den Konten der Wirecard-Gesellschaften", heißt es. Es sei daher zu prüfen, ob es sich "hierbei um ein Einlagengeschäft im Sinne des Bankwesengesetzes handelt", kann man in der Sachverhaltsdarstellung lesen. Dafür spreche auch die abrupte Umstellung der Zahlungsweise auf eine monatliche Abrechnung im Nachhinein ab 30.6.2020 – also unmittelbar vor dem Insolvenzantrag am 3. Juli. Diese Umstellung ist für Experten – gerade im Zuge der Insolvenz – nicht nachvollziehbar, da bei einer solchen Umstellung eine Deckungslücke in der Zwischenfinanzierung entstehe.

Betrügerische Krida? Knapp vor der Insolvenz – genauer am 14. April – gab es einen Umlaufgesellschafterbeschluss. In diesem hatte die Wirecard Sales International Holding (Alleingesellschafterin der Wirecard CEE) eine Dividendenausschüttung von April bis Juni von 2,7 Millionen Euro beschlossen. Laut Sachverhaltsdarstellung wurde so "eine Vermögensentreicherung zulasten der Gläubiger von 2,7 Millionen Euro bewirkt".

Auch einzelne Bilanzpositionen werden als kritisch dargestellt:

Vorräte: Der Vorratsbestand der Gesellschaft haftet in unveränderter Form seit 2018 mit rund 1,85 Millionen Euro aus. Im Lagebericht von Wirecard CEE heißt es: "Der Vertrieb von fertigen Erzeugnissen und Waren wurde im Geschäftsjahr 2018 eingestellt. Das gesamte verbliebene Vorratsvermögen wird im Geschäftsjahr 2020 ergebnisneutral abgewickelt." Dass ein jahrelang gehaltener Vorratsbestand eine unveränderte Werthaltigkeit besitze beziehungsweise ergebnisneutral abgewickelt werden könne, sei zumindest zu begründen.

Auch Angaben zu "Forderungen gegenüber verbundenen Unternehmen und "Kassenbestand, Guthaben bei Kreditinstituten" würden Fragen aufwerfen. "Die aufgrund der eingebrachten Sachverhaltsdarstellung nun zu prüfenden Straftatbestände werden aller Voraussicht nach auch als Grundlage für zivilrechtliche Ansprüche der Gläubiger gegen ihre Schädiger in Betracht kommen", sagt Haupt. (Bettina Pfluger, 28.7.2020)