90 Minuten lang nahm sich Kanzlerin Angela Merkel Zeit für Luisa Neubauer (li.), Greta Thunberg und ihre Mitstreiterinnen.

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Ein bisschen verloren stehen die vier jungen Frauen am Donnerstagmorgen zunächst im Berliner Kanzleramt. Hausherrin Angela Merkel hat ihre Gäste in einen sehr großen Sitzungssaal gebeten, Corona eben.

"Hallo, schön, dass Sie hier sind", begrüßt sie die beiden belgischen Klimaaktivistinnen Anuna de Wever und Adélaïde Charlier, das Gesicht der deutschen Fridays-for-Future-Bewegung, Luisa Neubauer, und natürlich den Stargast aus Schweden, Greta Thunberg.

Eineinhalb Stunden nimmt sich Merkel Zeit, das ist – gemessen in Kanzlerinnen-Zeiteinheiten – sehr viel. Aber die vier Frauen haben ja auch einiges zu besprechen. Sie sind gekommen, um Merkel Druck zu machen – nicht nur, weil sie deutsche Kanzlerin ist, sondern auch weil auf ihr gerade die Bürde der deutschen EU-Ratspräsidentschaft lastet. Da geht es vor allem um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Aber Klimaschutz darf nicht vergessen werden, warnen die vier.

Daher haben die Aktivistinnen vor kurzem an die Staats- und Regierungschefs der EU geschrieben und mehr Maßnahmen für den Klimaschutz gefordert – etwa den Stopp von Investitionen in fossile Brennstoffe oder jährliche CO2-Budgets, zudem die Möglichkeit, schwere Umweltzerstörung als Verbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof ahnden zu können.

Keine herkömmliche Krise

"Wir haben Frau Merkel gebeten, die Klimakrise nicht wie eine herkömmliche Krise zu behandeln", sagt Thunberg nach dem Treffen mit der Kanzlerin in Berlin. Die beiden haben sich nicht zum ersten Mal gesehen. Ein erstes, kurzes Gespräch fand im September am Rande des UN-Klimagipfels in New York statt. Damals hatte sich Thunberg mit einer emotionalen Rede ("How dare you?") an die Weltgemeinschaft gewandt.

Doch es habe sich seither nichts geändert, finden sie und ihre Mitstreiterinnen. Man befinde sich in einer "Endlosschleife".

Mit Merkels Verhalten war Thunberg in New York nicht zufrieden. Diese habe vor allem ein Selfie mit ihr machen wollen, um es in den sozialen Medien zu veröffentlichen, klagte die Schwedin später.

faz

Nun, beim zweiten Treffen, sei Merkel "nett" und "freundlich" gewesen, konstatiert Thunberg dann aber am Donnerstag bei einer Pressekonferenz, unweit des Kanzleramtes. Sie sitzt auf einem Podium in der glühend heißen Sonne und macht auch deutlich, dass sie an Merkel einige Erwartungen hat: "Sie hat Macht und viele Möglichkeiten und das Potenzial, die Führungsfigur zu sein, die wir suchen."

Laut Adélaïde Charlier versprach Merkel, sie wolle "versuchen, mutiger zu sein". Und Anuna de Wever betont, sie sei "froh", von Merkel gehört zu haben, dass diese das Freihandelsabkommen zwischen dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur und der EU in der derzeitigen Fassung nicht ratifizieren wolle. Dieses, so de Wever, würde zur Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes führen.

Besonderer Tag für Greta

Vor der Pressekonferenz hatte es übrigens einen deutlichen Hinweis gegeben, die Fragen "an alle Aktivistinnen zu stellen" und nicht "der Versuchung" zu erliegen, einzelne besonders anzusprechen. Es klappt aber nicht ganz.

Ob dieser Tag ein besonderer für sie sei, wird speziell Thunberg gefragt. Schließlich ist es der zweite Jahrestag der Bewegung. Genau am 20. August 2018 setzte sich Thunberg zum ersten Mal mit ihrem Schild, auf dem "Skolstrejk för klimatet" stand, auf die Straße. Ihre Antwort in Berlin: Man könne schon feiern. Aber: "Wir sind nicht Leute, die gern Zeit verschwenden mit Feiern." (20.8.2020)