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Für den französischen Künstler Dugudus symbolisiert Trump so ziemlich alles, was in den USA falsch läuft. Damit ist er nicht allein.

Foto: Reuters

Letzte Woche veröffentlichte Barack Obama seine jährliche Sommerplaylist. Via Twitter übermittelte der frühere US-Präsident die Liste jener Lieder, die ihn während des Sommers erfreuten. Darauf aufzuscheinen ist längst verkaufsrelevant. Heuer genoss die Band Khruangbin mit Sänger Leon Bridges mit dem Song Texas Sun höchstes Ansehen, gefolgt von Größen wie Stevie Wonder, Rapper Nas, Bob Dylan, den Damen von Haim oder Jazzern wie John Coltrane. Ende des Jahres wiederholt Obama dasselbe mit Büchern. Auch das fördert deren Verkauf.

Beide Listen zeigen einen an Kultur interessierten Mann, der symbolhaft für ein offenes und aufgeklärtes Amerika ohne alternative Fakten steht. Auf der anderen Seite steht sein Nachfolger. Donald Trump twittert zwar wie andere morsen, kulturelle Neigungen kommen darin nicht vor. Auf eben aufgetauchten Tondokumenten für das Buch Too Much and Never Enough: How My Family Created the World’s Most Dangerous Man von Mary Trump sagt Trumps Schwester Maryanne über Donald: "He doesn’t read" – er liest nicht.

Ließ Obama reihenweise Konzerte im Weißen Haus organisieren, so sind in der Ära Trump nur zwei einschlägige Besuche dokumentiert: von Kid Rock und dem Waffennarren Ted Nugent. Keiner der beiden ist aufgetreten. Der US-Autor Dave Eggers diagnostiziert dem Weißen Haus unter Trump ein kulturelles Vakuum. Sogar sein ebenfalls nicht als Leuchte in die Geschichte eingegangener Vorgänger George W. Bush zollte der Vielfalt der US-Kultur Tribut. Nicht Trump.

Crackrauchen wegen Donald

Dabei ist er selbst schon lange eines ihrer Sujets. Immerhin kam er bereits 1991 in Bret Easton Ellis’ Roman American Psycho vor. Da ist Trump das Idol des titelgebenden Massenmörders Patrick Bateman. Seit seiner Wahl 2016 dient er als Reibebaum. Die Punks von Oi Polloi veröffentlichten das Lied Donald Trump – Fuck You!, die Band Penza Penza einen nach ihm benannten Funk-Song, der mit Gestöhn unterlegt ist, das von einem Geheimdienstmitschnitt aus einem russischen Hotel stammen könnte.

OI POLLOI

Rapper wie Mac Miller und Eminem arbeiteten sich an ihm ab, und in Anlehnung an Beck singt Daniel Ledinsky Donald Trump Makes Me Wanna Smoke Crack. Über 500 Einträge listet die Musikplattform Discogs unter Trumps Namen, ein Loblied ist nicht darunter.

Berüchtigter Unterstützer

Schon bei seiner Amtseinführung hatte sein Team Mühe, jemanden zu finden, der das Musikprogramm bestreiten sollte. Letztlich übernahm Sam Moore den Job und erntete harsche Kritik. Ausgerechnet ein Schwarzer, der in den 1960ern als Hälfte des Duos Sam and Dave mit Songs wie Hold On I’m Coming Musikgeschichte geschrieben hat und Teil der Bürgerrechtsbewegung war, sang für Trump.

Und dann hat noch Kanye West für Trump Partei ergriffen. Wie stimmig. Der unter bipolaren Störungen leidende Rapper ist für sein erratisches Verhalten berüchtigt und brachte sich zuletzt selbst als Präsidentschaftskandidat für 2020 ins Gespräch.

FunkNightRecords

Ansonsten steht die Popwelt mit Trump auf Kriegsfuß: Schwarze Künstler, weiße, alte und junge, Schwule, Heteros, Lesben, Country-Girls und Countryrocker, Punks, Emos und Popgören. Begründet liegt die Ablehnung in der traditionell progressiven und liberalen Ausrichtung der Popkultur, die mit dem reaktionären Wesen und der Politik Trumps kaum Schnittmengen aufweist. Trump, so lautet der Kanon, ist eine Katastrophe, er gehört abgewählt.

Christliche Symbolik und Patriotismus

Als Reaktion auf die latente Polizeigewalt gegen Schwarze und Trumps offenen Rassismus brodelt es in der schwarzen Musik besonders. Vor allem im Hip-Hop, der Mainstream und Gegenkultur in einem ist. Die Rapper Public Enemy nennen ihn im Track State of the Union den "White House killer" und fordern: "Vote this joke out!"

Channel ZERO

Leise, dabei genauso eindrücklich, formuliert der Songwriter Sufjan Stevens in seinem elegischen Zwölfminüter America den Wunsch nach Erlösung von Trump. Er strapaziert dafür die christliche Symbolik und den US-Patriotismus, würzt mit Paranoia und Corona: Unterm Strich kommt nichts Gutes heraus, deshalb sein Wunsch: "Don’t do to me what you did to America."

Sufjan Stevens

Alternative-Legende Bob Mould eröffnet American Crisis mit einem markerschütternden Schrei. "Den Scheiß", singt er, den hatte er schon überwunden geglaubt. In den 1980ern aufzuwachsen, sei schlimm genug gewesen. Jetzt sei man wieder dort: in der amerikanischen Krise.

Merge Records on Youtube

Auf Trumps Wahlkampfveranstaltungen laufen derweil Neil-Young-Songs wie Rockin’ In The Free World. Der Urheber, der US-Bürger wurde, nur um gegen Trump wählen zu können, hat diesen deshalb geklagt. Chance hat die Klage kaum, doch die Symbolik und die Deutungshoheit über die eigene Kunst zählen. Ähnliche Klagen haben die Rolling Stones und die Erben von Tom Petty angedroht. Auch deren Musik verwendet Trump im Wahlkampf ohne Einwilligung, die er nie bekommen hätte.

Wiederholte Dummheit

Im Falle Neil Youngs wiederholt sich dabei eine Dummheit, derer sich schon der von Trump verehrte US-Präsident Ronald Reagan schuldig machte. Dessen Stab checkte in den 1980ern nicht, dass das von ihnen verwendete Lied Born in the USA von Bruce Springsteen nichts mit ihrem Hurra-Patriotismus zu tun hatte, sondern die Abrechnung eines Vietnam-Veteranen damit war.

Ähnlich verhält es sich mit Youngs Rockin’ in the Free World. Das Lied beklagte die Brutalität gegenüber den einfachen Leuten zurzeit der Regierung des Republikaners George Bush senior. Denselben von Trump protegierten Raubtierkapitalismus, der unter dem Slogan "Make America Great Again" vornehmlich jenes eine Prozent Reiche bevorzugt, das die anderen 99 ausbluten lässt. (Karl Fluch, 29.8.2020)