Bergbewohner gelten mitunter als komische Käuze. Forscher haben sich den Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Landschaftsform genauer angesehen.

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Krems – Die Bergbewohner seien seltsame Leute, heißt es unter den Flachländern. Bergfexe, "Almöhis" und kauzige Kraxler – der bergländische Sonderling ist eine wiederkehrende Figur vor allem in der Populärkultur und mag durchaus auf realen Erfahrungen fußen. In der Forschung stellt man sich die Frage, wie dieser Zusammenhang zustande kommmt: Zieht die anspruchsvolle Topografie eher solche Charaktere an oder formen die schroffen Berglandschaften ihre Bewohner in entsprechender Weise? Eine Studie in den USA fand nun Antworten – und den Nachhall des Wildwest-Pioniergeists in der Persönlichkeit der Bergbewohner.

In bergigen Regionen erfolgreich seinen Lebensunterhalt zu bestreiten war vor allem historisch gesehen durchaus fordernder als im Flachland. Das prägt mitunter die dort lebenden Menschen. Schon bei der oft historisch späteren Besiedlung von gebirgigen Gegenden sind Menschen mit anderen Persönlichkeitsstrukturen im Vorteil, das könnte sich dann wiederum langfristig im Mindset der dortigen Bevölkerung niederschlagen, so ein theoretischer Ansatz. Eine andere Idee beruht darauf, dass hügelig-bergige Umgebungen selbst den mitunter schrofferen regionalen Charakter ein Stück weit mitformen.

Auf der Suche nach den Sonderlingen

Ein internationales Forscherteam um den Psychologen Friedrich Götz von der Cambridge University (Großbritannien) hat sich im Rahmen einer im Fachmagazin "Nature Human Behaviour" erschienen Studie in einem riesigen Datensatz aus den USA auf die Suche nach Hinweisen dazu gemacht. Neben Kollegen aus den Vereinigten Staaten selbst, sowie aus Australien war auch Stefan Stieger vom Department Psychologie und Psychodynamik der Karl Landsteiner Privatuniversität (KL) Krems mit an Bord.

Die Wissenschafter setzten Daten von über 3,3 Millionen US-Amerikanern, die online einen Persönlichkeitsfragebogen ausgefüllt hatten, in Bezug zur vorherrschenden Landschaftsform ihres Wohn- und Geburtsortes. Die 37.227 verschiedenen Ortschaften wurden hinsichtlich ihrer "Gebirgigkeit" eingestuft. Die Studienteilnehmer wiederum wurden hinsichtlich der jeweiligen Ausprägung der fünf großen Persönlichkeitsfaktoren, den sogenannten "Big Five", eingereiht. Dahinter verbergen sich die Merkmale "Offenheit für Erfahrungen", "Gewissenhaftigkeit", "Extraversion", "Verträglichkeit" und "Neurotizismus" oder emotionale Labilität.

Introvertierter und weniger gewissenhaft

Zuerst suchten die Wissenschafter nach Unterschieden in der Ausprägung der "Big Five" unter Berücksichtigung der Topografie. Dabei erschienen Menschen aus den Bergen ein Stück weit weniger verträglich, etwas introvertiert und weniger gewissenhaft als der durchschnittliche Flachländer. Im Vergleich zu letzteren präsentierten sie sich allerdings auch als emotional stabiler und offener für Erfahrungen. All diese Effekte waren den Forschern zufolge sehr gering ausgeprägt, aber stabil zu finden.

Eine etwas stärkere Pioniergeist-Mentalität legen US-Bergbewohner im Durchschnitt also auch noch heute an den Tag, schließen die Forscher. Das war auch noch nachzuweisen, wenn Menschen im Laufe ihres Lebens aus solchen Regionen wegzogen: Sie zeigen demnach auch an einem anderen Wohnort etwas weniger Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Extraversion.

Eine weitere Annäherung daran, woran dies liegen könnte, erlaubte dem Team die Geographie und Besiedlungsgeschichte der Vereinigten Staaten: Denn diese durchziehen bekanntlich im Osten die Appalachen und im Westen die Rocky Mountains jeweils von Nord nach Süd.

Wildnis zieht eher spezielle Persönlichkeiten an

"Doch aufgrund der speziellen und späten (modernen) Besiedlungsgeschichte der USA zog nur der Westen als raues, ungezähmtes 'Frontier-Gebiet' Menschen an, die spezielle Persönlichkeitsmerkmale aufwiesen", so Stieger: "Wären es die Berge, die die Persönlichkeiten prägen, so sollte es keine Unterschiede dieser Prägung zwischen Osten und Westen geben – wenn aber das soziokulturelle Umfeld einen Einfluss hat, dann schon."

Tatsächlich sprachen die Daten dafür, dass die Bewohner der östlichen Bergregionen etwas verträglicher und kontaktfreudiger sind als die Bergbewohner im einstigen Wilden Westen. Dass letztere etwas besser in das tradierte Bild der Pioniermentalität passen, illustriert auch, dass sie im Schnitt deutlich höhere Werte in Bezug auf ihre Abenteuerlust aufwiesen. Auch wenn diese Unterschiede insgesamt gering seien, könnten sie über die gesamte regionale Bevölkerung gesehen Einfluss auf politische, wirtschaftliche oder gesundheitliche Faktoren haben, so die Forscher. (red, APA, 12.9.2020)