Es kommt nicht häufig vor, dass US-Präsident Donald Trump sich zu Österreich äußert. Anfang der Woche erwähnte Trump das Land in einem Interview – und seine Vorstellung von Österreich könnte falscher kaum sein: "In Staaten wie Österreich", sagte der US-Präsident, "leben sie im Wald. Sie haben dort quasi Waldstädte".

Ein bisschen mehr Grün würde Städten aber guttun – nicht nur jenen in Österreich. Das findet zumindest das US-Architekturbüro Skidmore, Owings und Merrill (SOM). "National Geographic" ließ SOM vergangenes Jahr ein Bild der Stadt der Zukunft zeichnen. Bisher hatten Zukunftsvisionen aus dem vergangenen Jahrhundert in der Regel einiges gemeinsam: gigantomanische Wolkenkratzer, Menschen, die eng gedrängt auf mehreren Ebenen wohnen, arbeiten und einkaufen – und natürlich die obligatorischen fliegenden Autos, die wohl am häufigsten abgebildete Fehlprognose der Welt.

SOM kann man wohl nicht vorwerfen, realitätsfern zu sein. Das Büro gilt als eine der größten Architekturfirmen der Welt und hat tausende Gebäude entworfen – vom One World Trade Center in New York über Flughafenterminals in Singapur und Dublin bis zum nie gebauten Tyrol Tower in Wörgl.

Mittelgroße Stadtteile, umgeben von Grün und verbunden durch Schnellzüge – so könnte die Stadt von morgen aussehen.
Illustration: Skidmore, Owings & Merrill

Wie die Städte von morgen aussehen werden, ist eine drängende Frage. Die Urbanisierung nimmt rasant zu. Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt schon heute in Städten, bis zum Jahr 2050 sollen es 70 Prozent sein – bei steigender Weltbevölkerung, die zur Mitte des Jahrhunderts zehn Milliarden erreicht haben soll. Von den technophilen Jetsons-Klischees, derer sich viele Futuristen der letzten Jahrzehnte bedient haben, wollte sich der SOM-Stadtplaner Peter J. Kindel fernhalten. Schon seit Jahrhunderten malen sich Menschen utopische Umgebungen aus, Kindel und sein Team haben diese Utopien aus früheren Zeiten durchgearbeitet. "Viele von diesen Städten haben sich schon damals auf eine Verbindung des Menschen zur Natur als Hauptziel konzentriert", sagt Kindel zum STANDARD.

Im Einklang mit der Natur

Biomorphic Urbanism nennt Kindel sein Konzept der Stadt von morgen, das er zusammen mit weiteren Stadtplanern entworfen hat. Ausgehend von der Überzeugung, dass Menschen ureigen mit der Natur verbunden sind, sollen Städte vom Leben – menschlichem und nichtmenschlichem – geformt sein. "In diesem Sinne ähnelt auch der Biomorphic Urbanism diesen Visionen aus früheren Jahrhunderten", sagt Kindel. Megacitys gab es in der frühen Neuzeit freilich nicht, und Umweltverschmutzung war kaum ein Thema.

Grün so weit das Auge reicht: Laut der Idee des Biomorphic Urbanism soll der Mensch im Einklang mit der Natur leben.
Illustration: Skidmore, Owings & Merrill

Die brennendste Frage der Zeit ist für Kindel: Wie schaffen wir es, die Ökosysteme und das Klima zu stabilisieren und trotzdem Lebensqualität für alle Menschen sicherzustellen?
Denn Städte sind heute sowohl Treiber als auch Opfer der Klimaerhitzung. Obwohl sie nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, benötigen sie schon heute zwei Drittel des Trinkwassers und 75 Prozent der Energie und sind für 80 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und selbst wenn die Klimaziele halten, wird es spürbar wärmer werden. Laut einer Studie könnte Wien 2050 etwa um 7,6 Grad heißer sein als heute und wäre damit so heiß wie Skopje, Paris hätte Temperaturen wie die australische Hauptstadt Canberra. In Städten wie Kuala Lumpur soll es zu extremen Klimabedingungen kommen, die bisher kaum eine Stadt gesehen hat.

Mit grünem Kleckern auf Häuserfassaden kommt man da nicht weit. Gleich die Hälfte der Stadtfläche will Kindel in seinem Utopia unter Naturschutz stellen. Diese Gebiete sollen nicht nur die Stadt kühl halten, sondern auch der Regeneration von Menschen und Natur dienen. Auch Landwirtschaft soll möglichst stadtnah stattfinden.

Alles in Gehweite

Mitten auf diesen Freiflächen sollen sogenannte Urban Hubs liegen. Diese bestehen wiederum aus acht bis zehn Grätzeln, in denen alle wichtigen Wege zu Fuß zurücklegbar sind. Wohnhäuser, Büros und Geschäftsflächen sollen dort gleichermaßen existieren – und zwar in abwechslungsreichen Bebauungsdichten. Ein Wohnblock könnte also direkt neben einem Mehrfamilienhaus stehen, das wiederum neben einem Bürogebäude seinen Platz findet. Schon in den Wohnvierteln selbst soll es Naherholungsgebiete geben.

Ein Urban Hub könnte eine Größe von etwa 400 Hektar haben. Zum Vergleich: Die Seestadt Aspern in Wien ist etwa 240 Hektar groß. Bis zu zehn Hubs könnten in einer Stadt gebündelt sein, die wiederum mit umweltfreundlichen Hochgeschwindigkeitszügen verbunden sind.

Bisher existiert die biomorphe Stadt nur auf dem Computer, und nur die wenigsten Staaten können tausende Hektar auf dem Reißbrett verplanen. Laut Kindel kann das Konzept aber "in jeder Skalierung" und auch auf existierende Städte angewandt werden. "Put nature first", schlägt er Bürgermeistern und Stadtplanern vor. Jede Planungsentscheidung soll mehr statt weniger Natur in die Stadt bringen. Städte sollen außerdem von Grund auf für Menschen statt für Autos gedacht werden. In Europa und in Teilen Asiens setze man schon die richtigen Schritte auf dem langen Weg zur grünen Stadt von morgen. (Philip Pramer, 16.9.2020)