Worüber seit Wochen vage spekuliert wird, ist plötzlich konkret geworden: US-Präsident Donald Trump wird versuchen, im Weißen Haus zu bleiben, wenn er die Wahl am 3. November verliert. Das hat er zuletzt bei jeder Gelegenheit ausgesprochen. Sein Argument: Die Ausweitung der Briefwahl wegen der Corona-Pandemie ist ein Komplott, um den Urnengang zu manipulieren und ihn um den sonst sicheren Sieg zu bringen.

Nun könnte man diese Aussagen als Trumps Versuch abtun, die drohende Wahlniederlage gegen Joe Biden für sein Ego zu rechtfertigen. Die USA sind die älteste Demokratie der Welt und keine Bananenrepublik. Es gibt keine Belege, dass die Millionen an Briefwahlstimmen für Wahlbetrug genutzt werden können. Trump weiß, dass er mit solchen Ansagen Aufmerksamkeit erregt und seine Basis anspornen kann. Besser, das Land spricht über dieses Thema als über die 200.000 Covid-19-Toten.

US-Präsident Donald Trump wird versuchen, im Weißen Haus zu bleiben, wenn er die Wahl am 3. November verliert.
Foto: AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Aber inzwischen wächst die Sorge, dass Trump es nicht nur ernst meint, sondern er auch die Mittel hat, um seine Abwahl zu verhindern. Wie der Starjournalist Barton Gellman im Magazin "Atlantic" darlegt, können gerade in den für die Wahl entscheidenden Bundesstaaten republikanische Abgeordnete und Richter dafür sorgen, dass Briefwahlstimmen nicht ausgezählt oder berücksichtigt werden, was vor allem demokratische Wähler treffen würde. Milizen könnten in Großstädten Wähler von Wahllokalen fernhalten, und Trump könnte auch Bundesbeamte einsetzen, um die Wahlbeteiligung an strategischen Orten zu drücken.

Bei einem unklaren Ergebnis dürfte die Frage, wer nächster Präsident wird, vom Obersten Gerichtshof entschieden werden. Dort ist Trump gerade dabei, die konservative Mehrheit auszubauen.

Verteidiger der Demokratie

Gellman vergleicht die Situation mit den Wochen vor dem 11. September 2001, als es unzählige Signale für die kommenden Terroranschläge gab. Der Unterschied ist, dass die Gefahr diesmal offen sichtbar ist. Die Verteidiger der Demokratie können sich auf diese Schlacht gut vorbereiten.

Doch diese sind weniger zahlreich, als man erwarten würde. Die Zusicherung des republikanischen Senatsführers Mitch McConnell, es werde bei einem fairen Wahlerfolg Bidens einen geordneten Übergang geben, bedeutet wenig. Denn die Republikaner werden im Zweifel die Fairness der Wahl wohl anzweifeln; die Partei hat sich längst von demokratischen Grundwerten verabschiedet. Und dass immer noch rund 43 Prozent der Amerikaner zu Trump stehen, zeigt, dass der Präsident auch für einen legalen Putsch auf viel Rückhalt zählen kann.

Der beste Schutz vor einer gestohlenen Wahl wäre ein klarer Wahlsieger. Ist das Biden, sind Trump und seinen Anhängern die Hände gebunden; die Institutionen des Landes sind stärker.

Aber die Probleme der US-Demokratie wären auch dann nicht gelöst. Die Republikaner sind zu einer Partei einer weißen, männlichen und wenig gebildeten Minderheit geworden, sind aber vor allem bei Wahlen zum Senat strukturell im Vorteil. Diese Kammer bestimmt auch, wer Bundesrichter werden kann. Die Gerichte wiederum verstärken das Ungleichgewicht, indem sie immer öfter die Diskriminierung afroamerikanischer Wähler zulassen. Eine Demokratie, in der die Mehrheit nur in Ausnahmefällen eine Chance auf die Macht hat, verliert ihre wichtigste Säule: die Legitimität. (Eric Frey, 25.9.2020)