Dabei macht Vorrollen und Lückenschließen am Radweg Sinn – und wird anderswo sogar baulich gefördert: In den Niederlanden werden Rad-Aufstellflächen an Ampeln breiter als die Fahrstreifen angelegt.

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Als es hier letztens um das "Einspurigenprivileg" ging, an stehenden Kolonnen (soweit es der Platz erlaubt) vorbei an Kreuzungen vorfahren zu dürfen (§ 12, Abs. 5 StVO), geschah ein Wunder: Auto- und Radfahrer waren sich einig. In ca. 750 Postings (470 davon auf derstandard.at) wurde erklärt, wie "unsozial" das sei: Wie käme der Überholte dazu, sich beim Losfahren an "Vorschummlern" wieder "vorbeikämpfen" zu müssen?

Doch schon beim zweiten Satz war dann klar: Die Einhelligkeit war keine. Was Einspurige bei Zweispurigen selbstverständlich tun ("leb damit!"), gilt, sobald Radfahrer stehende Rad reihen passieren, als "echte Arschaktion: ‚first come, first go‘". Wieso Bei-Autos-Vorrollen okay, Radler-Passieren aber verwerflich ist? Da kommt – bestenfalls – was über angeblich moralisch hochwertigeres Radfahren. Dabei macht Vorrollen und Lückenschließen am Radweg Sinn – und wird anderswo sogar baulich gefördert: In den Niederlanden werden Rad-Aufstellflächen an Ampeln breiter als die Fahrstreifen angelegt. Je dichter die Räder stehen, desto mehr kommen pro Grünphase über die Kreuzung. Was bei Autos nicht funktioniert, klappt am Rad (und zu Fuß) nämlich von selbst: Beim Losfahren verjüngt sich der Strom. Am dünnen Ende des "Stanitzels" ist der Pulk wieder eine Reihe.

Videos darüber stellt die Wiener "Radlobby" regelmäßig ins Netz. Vergebens: Die Freude am Maßregeln lässt sich hierzulande niemand nehmen. Egal ob im Auto oder am Rad. (Thomas Rottenberg, 13.10.2020)