In das Gebäude mit dunkler Geschichte zog vor einigen Jahren zumindest temporär neues Leben ein.

Foto: Nadja Meister

Wohin die Reise geht, ist aber noch offen.

Foto: Nadja Meister

Ein Raum als Zwangsjacke aus knallgelben Müllsäcken: So gestaltete die Künstlerin Andy Wallenta 2017 eine Zelle im früheren Gefängnis in Kirchberg am Wagram. Jeder Besucher, jede Besucherin, der oder die den winzigen Raum betrat, konnte sich so zumindest ein bisschen in die Geschichte des Gebäudes hineinversetzen.

Denn es ist eine problematische Geschichte, die im niederösterreichischen Ort jahrzehntelang von vielen ausgeblendet und erst in den letzten Jahren langsam erforscht wurde. 1913 als Gefängnis errichtet, wurde das Gebäude später zu einer berüchtigten Außenstelle der "Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige" in Kaiserebersdorf. Demütigungen der jungen Insassen standen hier auf der Tagesordnung. 1974 wurde die Anstalt geschlossen. Seither stand die Immobilie weitgehend leer.

Bis der Verein Kunst Kultur Kirchberg 2017 begann, das Gebäude, das mit der ARE einer Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) gehört, zu bespielen. Auch die Bevölkerung wurde an Bord geholt. Widerstand, sich der Geschichte des Ortes zu stellen, habe es keinen gegeben, sagt Wolfgang Giegler, Kurator des Vereins. Auch Experten und Zeitzeugen wurden geladen.

Stimmung verändert

Zu Beginn sei das Arbeiten in den Gemäuern mit dunkler Geschichte eisig kalt gewesen, erzählt Giegler. Dann habe sich die Stimmung im Haus aber verändert. "Es hat hier plötzlich nach Farbe gerochen", zudem seien immer mehr Menschen im Haus unterwegs gewesen. Das Kunstprojekt stieß 2017 auf großes Interesse: Insgesamt 1400 Menschen besuchten das Gefängnis, darunter viele Einheimische und auch Menschen, die hier in ihrer Jugend eingesperrt waren.

"Wir wussten damals, dass wir weitermachen müssen. Durch das Öffnen bekam das Haus einen anderen Charakter", erzählt Giegler. Seither fanden hier Veranstaltungen statt. Vor kurzem erst ging die Ausstellung Verspielte Zeit, kuratiert von Birgit Glocker und Twan Geissberger, zu Ende.

Nun werden Ideen für die Zukunft gesammelt, damit das Haus an zentraler Stelle im Ort nicht wieder leer steht. Realistisch sei eine weitere kulturelle Nutzung, aber auch eine Nutzung als Labor oder als Themenhotel, meint Giegler. Eine "Stätte für Kunst und Kultur" gefällt auch der Gemeinde auf Anfrage "sehr gut". Wichtig sei, dass hier ein offener Diskurs möglich ist.

Eine Nutzung als Hotel gefällt Bürgermeister Wolfgang Benedikt (ÖVP) weniger, "das passt energetisch nicht zusammen". Auch ein Wohnbauträger, der bezüglich des umliegenden Gartens einmal angefragt hatte, habe eine Abfuhr bekommen, "das ist undenkbar", so Benedikt. Auch der Vorschlag, hier ein Museum der schwarzen Pädagogik zu errichten, sei nicht bei allen gut angekommen, sagt Giegler. Außerdem gebe es aktuell Anfragen aus der Theater- und aus der Musikszene – trotz Corona. Die zwölf finsteren Einzelzellen würden wohl zumindest die Corona-konforme Durchführung einer Veranstaltung erleichtern. (Franziska Zoidl, 23.10.2020)