Jeremy Corbyn war bis 2020 Parteivorsitzender der Labour Party.

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London – Die britische Labour Party hat ihren ehemaligen Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn suspendiert. Das teilte ein Parteisprecher mit. Ein Untersuchungsbericht hatte kurz zuvor festgestellt, dass die Partei und ihr Ex-Chef antisemitische Tendenzen zugelassen hätten – Corbyn wies die Vorwürfe in weiten Teilen zurück.

Die britische Kommission für Gleichheit und Menschenrechte (EHRC) veröffentlichte den Untersuchungsbericht am Donnerstag in London und teilte mit, dass es in der Partei antisemitische Tendenzen – darunter Schikanen und Diskriminierungen gegeben habe. Besonders in der Kritik steht in dem Bericht der Alt-Linke Corbyn, der von 2015 bis 2020 Chef der Partei war. Im April 2020 wurde der 71-Jährige von Keir Starmer abgelöst.

Starmer: "Tag der Schande"

Es habe "unentschuldbare Fehler" gegeben, die auf einen Mangel an Bereitschaft zur Bekämpfung des Antisemitismus zurückzuführen seien, sagte die Vorsitzende der unabhängigen Kommission, Caroline Waters.

Corbyn wollte nicht alle Vorwürfe gelten lassen. Er sei "immer entschlossen gewesen, alle Formen des Rassismus zu beseitigen". Er bedauere aber, dass der Wandel so lange gedauert habe. Sein Nachfolger Starmer sprach von einem "Tag der Schande" für Labour. Die Partei muss nun binnen sechs Wochen einen Aktionsplan vorlegen.

Antisemitische Tendenzen in sozialen Medien

Seit Jahren werfen Kritiker den britischen Sozialdemokraten antisemitische Tendenzen – etwa in Beiträgen in sozialen Medien – vor. Mehrere Abgeordnete verließen aus Protest die Partei. 2018 räumte Corbyn ein, dass Disziplinarverfahren gegen antisemitische Parteimitglieder zu langsam und zaghaft betrieben worden seien.

Corbyn stand auch selbst häufig in der Kritik. So hatte er sich geweigert, sich bei Juden für antisemitische Tendenzen in seiner Partei zu entschuldigen. Kritiker warfen dem Altlinken auch eine einseitige Unterstützung der Palästinenser im Nahostkonflikt vor. Noch bevor er Labour-Chef wurde, bezeichnete er laut britischen Medien die im Gazastreifen herrschende Hamas, die unter anderem von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, als "Freunde". (APA, red, 29.10.2020)