Publikumsrat beobachtet im letzten gewissen ORF-Jahr unter der Führung von Alexander Wrabetz einen Programmschwenk von Information Richtung Unterhaltung.

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Wien – Keine Änderung lasse sich ausmachen in den Programmschemata des ORF für 2021, sagen Mitglieder des Publikumsrats. Andreas Kratschmar, Vorsitzender des Programmausschusses, konstatiert aber einen akkordierten Schwenk von der Information hin zu mehr Unterhaltung und Erholung im zweiten Jahr der Corona-Zeitrechnung – und im Jahr der Bestellung der nächsten ORF-Führung.

Mittwoch präsentierten ORF-Direktoren und Channel-Manager den Publikumsräten im Programmausschuss des ORF-Gremiums ihre Pläne für das kommende Jahr. ORF 1 entdecke die "Hedonisten" als wichtige Zielgruppe, nahm Kratschmar aus dem Programmausschuss mit. Am Donnerstag berichtete er im Plenum des Publikumsrats darüber.

Die "Zeit im Bild" um 19.30 auf beiden Hauptkanälen des ORF und das Quiz Q1 im Vorabend waren jüngste Schemaänderungen im jüngeren ORF-Sender, die teils auch erst nachträglich von den ORF-Gremien abgenickt wurden.

Kommende Woche beschließt das gewichtigere ORF-Gremium Stiftungsrat, wie alle Jahre wieder im Dezember, diese Programmschemata, zudem den ORF-Finanzplan für 2021. Rechtzeitig vor dem Generalswahljahr 2021 legt ORF-Chef Alexander Wrabetz ein Strategiekonzept für den ORF bis 2025 vor. Es soll auch den Rahmen für die nächste ORF-Führung abstecken, die nach Wrabetz' Vorstellungen gerne auch wieder in seinen Händen liegen könnte.

In ORF-Strategie Anforderungen des Publikums vermisst

Andreas Kratschmar, zudem auch Teil der bürgerlichen Mehrheit im ORF-Stiftungsrat, brachte am Donnerstag auch einen "dringenden Appell" zur ORF-Strategie mit in den Publikumsrat. Im Entwurf zur Strategie findet er alleine die Herausforderungen durch internationale Plattformkonzerne wie Google/Youtube und Facebook thematisiert – an die die größten Werbebudgets weltweit gehen und die die wesentlichen Informationsquellen vor allem jüngerer Menschen sind. "Das ist ein wichtiger Teil des Lagebildes", erklärt Kratschmar, "aber eben nur ein Teil."

Kratschmar vermisst Anforderungen des Publikums in dem Strategiekonzept. Er verweist auf die große Publikumstudie von Fehr Advice & Partner. Die kam im Frühjahr 2019 zum Schluss, die Österreicher vermissten einen unabhängigen ORF, der sie verstehe. Das Beratungsunternehmen beobachtete "deutliches Verbesserungspotenzial" und "fundamentale" Defizite etwa bei Unabhängigkeit. Die Fehr-Befunde seien "ernst zu nehmen", ebenso die Umfragen im Auftrag des Publikumsrats.

"Content für alle und jeden"

ORF-Chef Alexander Wrabetz hat zuvor in seinem sehr knappen Ausblick auf das ORF-Strategiekonzept dessen "User-zentrierten Ansatz" betont – das Publikum stehe "im Mittelpunkt", es gehe um "Content für alle und für jeden".

"75 Prozent Obskurantismus bei Servus TV"

Matthias Karmasin (Akademie der Wissenschaften) erinnerte daran, das Gebot der Ausgewogenheit bedeute nicht, alle – auch nicht haltbare – Positionen vorkommen zu lassen.

ORF-General Wrabetz pflichtete bei – und verwies später in dem Zusammenhang auf Mitbewerber Servus TV. Offenbar mit Blick auf das "Corona Quartett" konstatierte Wrabetz beim Mitbewerber aus dem Hause Mateschitz "75 Prozent Obskurantismus".

644,9 Millionen Euro aus der GIS

Wrabetz präsentierte Eckwerte für die wirtschaftliche Entwicklung des ORF und bestätigte damit den STANDARD-Bericht von Mitte November: Das Ergebnis des Einzelunternehmens ORF liege mit voraussichtlich 15,4 Millionen Euro Ergebnis vor Steuern 300.000 Euro unter Plan, das Konzernergebnis mit 22,5 Millionen Euro 300.000 über dem Plan für 2020.

Der ORF erwartet nun im von der Pandemie und Lockdowns geprägten Gesamtjahr 2020 644,9 Millionen Euro Einnahmen aus den GIS-Rundfunkgebühren, das sind 2,3 Millionen weniger als geplant. Mit Werbung spielt der ORF laut Wrabetz 2020 voraussichtlich 200 Millionen Euro ein, das sind 10,8 Millionen Euro weniger als budgetiert.

Sportliches Aufwärmen

Themenschwerpunkt beim Publikumsrat: Sport – mit aktivem Aufwärmen für die Publikumsräte mit Philipp Jelinek (ORF 2 Info):

Aufwärmen für die Publikumsräte, hier die seitliche Rumpfmuskulatur: Philipp Jelinek (ORF 2).
Foto: Screenshot ORF-Publikumsrat

Der ehemalige Nordische Kombinierer Felix Gottwald brachte eingangs einen originellen Rat für die ORF-Publikumsräte mit: "Schaut euch 'Phoenix aus der Asche' an, das gibt's auf Netflix." (fid, 26.11.2020)