Sebastian Kurz will nicht, dass gute Bemühungen gegen das Coronavirus im Inland durch Reiserückkehrer zunichtegemacht werden.

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Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat den Vorwurf "mangelnder Sensibilität" beim Kommunizieren der Reisebeschränkungen, den Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erhoben hatte, als "absurd" zurückgewiesen. "Jeder, der mich kennt, weiß, wie eng ich mit dem Westbalkan verbunden bin", sagte der Kanzler im Interview mit den Vorarlberger Nachrichtenportalen vn.at und vol.at.

Zuvor hatten neben Kogler unter anderen auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), der Wiener Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner den Kanzler für seine Äußerung kritisiert, dass das Coronavirus durch Auslandsreisen wieder nach Österreich "eingeschleppt" worden sei. Dabei hatte er beim Interview in der "ZiB 2" vor allem Reiserückkehrer betont, die den Sommer in ihren "Herkunftsländern", insbesondere auf dem Westbalkan, verbracht hätten. In Österreich selbst habe es nach dem Lockdown nur "sehr, sehr niedrige Ansteckungszahlen" gegeben.

Kurz froh über enge Verwobenheit mit Balkan

Kogler forderte daraufhin mehr Feingefühl und betonte, dass sich viele Menschen mit biografischen Wurzeln auf dem Westbalkan derzeit in Pflegeheimen und Spitälern in Österreich einsetzen würden. Bürgermeister Ludwig sah eine "Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen".

Kurz selbst fand die Vorwürfe aber "absurd", zumal er seit seiner Zeit als Außenminister für den EU-Beitritt der Westbalkanstaaten kämpfe. Der Westbalkan sei die Region, die er am häufigsten besucht habe, und: "Ich habe viele Freunde mit Wurzeln dort, ich habe ein freundschaftliches Verhältnis zu den Regierungschefs dort." Über die "enge Verwobenheit" mit dieser Region sei er froh.

Viele urlaubende Österreicher unter Reiserückkehrern

Im Gespräch bekräftigte Kurz noch einmal seine Position, dass im Sommer ein Drittel des Infektionsgeschehens auf Reiserückkehrer zurückzuführen gewesen sei, ein "Großteil davon auf den Westbalkan und Kroatien". Er bezieht sich dabei auf Zahlen der Ages zu zwei Wochen im August, in denen der Anteil der Infektionen aus dem Westbalkan rund ein Drittel betrug. Die Ages-Zahlen differenzieren aber nicht nach Nationalität oder Migrationshintergrund. Bei den von Kurz angesprochenen Reiserückkehrern dürfte es sich demnach zu einem großen Teil um urlaubende Österreicher gehandelt haben, wie Experten dem STANDARD auf Nachfrage erklären. In der Zeit vor und nach den zwei Sommerwochen vom 10. bis 23. August lag der "Westbalkan"-Anteil zwischen drei und zwölf Prozent.

Aus den Zahlen im Sommer habe man jedenfalls gelernt, meinte Kurz, und deswegen habe die Regierung nun die Reisebeschränkungen für die Weihnachtszeit erlassen. Es dürften nicht die Bemühungen im Inland durch Reiserückkehrer zunichtegemacht werden. Das gelte allerdings "genauso" für Auslandsösterreicher oder Menschen, die gerne auf Urlaub fahren, präzisierte Kurz. (Davina Brunnbauer, 4.12.2020)