"Zeig mir, was du trägst, und ich sage dir, wer du bist", ist seit jeher ein Spruch mit viel Wahrheitsgehalt. In den habsburgisch-osmanischen Beziehungen spiegelte Kleidung die politische Hierarchie besonders deutlich wider.

Gerade zur Weihnachtszeit kommt alljährlich die Frage auf: Was schenkt man nur seinen Liebsten? Dieses Problem kannten auch die Menschen in der Frühen Neuzeit, denn gegenseitige Geschenkgaben waren damals besonders im diplomatischen Verkehr von großer Bedeutung. Vor allem in den politischen Beziehungen der Habsburger zum Osmanischen Reich (heutige Türkei) spielte der Geschenkaustausch eine große Rolle. Die beiden Großreiche führten nicht nur Kriege gegeneinander, sondern schlossen zahlreiche Friedensabkommen, die sie durch Geldzahlungen und Geschenke besiegelten. Beliebte Gaben waren kostbare Schmuckstücke, teure Gewürze, exotische Tiere oder Kleidungsstücke. Kleidung hatte und hat noch immer einen besonderen kulturellen Stellenwert und kann sowohl identitätsstiftend wie abgrenzend wirken. Kleiderordnungen, die es in Europa seit dem Mittelalter für bestimmte Bevölkerungsgruppen gab, zeigten den sozialen Rang einer Person, das war im osmanischen Kulturraum nicht anders.

Der Kaftan – ein missverstandenes Kleidungsstück

Am osmanischen Hof hatte es lange Tradition, sogenannte Ehrenroben (Kaftane) an auswärtige Diplomaten zu verleihen. Kaftane, also mantelartige Überkleider, die mit kostbaren Pelzen oder Verzierungen geschmückt sein konnten, waren das wichtigste Kleidungsstück im Orient. Hatte ein Gesandter eine Audienz beim Sultan, wurde ihm zunächst ein Kaftan verliehen, den er vorher anlegen musste. Die Vergabe dieser Ehrenroben war dabei aber keineswegs als Ehrerbietung anzusehen, denn im osmanischen Brauchtum wurden solche Kleidungsstücke immer nur von einem Ranghöheren an einen Rangniedrigeren vergeben. Da ein Diplomat an fremden Höfen immer auch als Stellvertreter seines Herrschers auftrat, kam die Verleihung eines Kaftans durch den Sultan einer Rangminderung seines Herrschers gleich. Der Begriff der Ehrenrobe für diese Kaftane scheint daher unpassend und unterstreicht kulturelle Missverständnisse zwischen Europäern und Osmanen. Europäische Gesandte verstanden diesen Brauch bis ins späte 17. Jahrhundert noch als Ehrerweisung. Für die Osmanen symbolisierte das Anlegen der landeseigenen Tracht allerdings die Forderung nach Gehorsam und die Unterordnung unter den Sultan.

Sultan Ahmed III. im prächtigen Staatsgewand, 1719.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek, http://data.onb.ac.at/rec/AC10059427, 47.Nn.208.(Vol.1) ALT PRUNK

Skandal im Audienzzimmer

Von europäischen Gesandten wurde der Brauch des Kaftananlegens lange Zeit missdeutet. Das führte dazu, dass Diplomaten versuchten, immer mehr und kostbarere Kaftane zu erhalten als andere Gesandte am Hof des Sultans. Das konnte schon mal einen Skandal auslösen – so etwa, als der französische Diplomat Ludwigs XIV., Charles de Ferriol, am 5. Jänner 1700 vor den Sultan treten sollte. Zuvor hatten englische und dänische Gesandte kostbarere Kaftane erhalten als Ferriol. Das kam einem Eklat gleich, da der französische Diplomat am Sultanshof eigentlich immer die ranghöchste Stellung innerhalb der europäischen Gesandten bekleidete.

Kurzerhand entschloss sich Ferriol, um das Kaftandebakel symbolisch auszugleichen und seine besondere Stellung am Sultanshof hervorzuheben, mit angelegten Waffen vor den Sultan zu treten. Diese musste man eigentlich vor einer Audienz mit dem osmanischen Herrscher ablegen. Als Ferriol in seiner Waffengarnitur nicht zum Sultan vorgelassen wurde, brach dieser die Audienz ab. Wenig später, vor allem, als Ferriol erfuhr, dass der habsburgische Gesandte bald seine Audienz haben sollte, änderte er seine Meinung und trat doch in dem minderwertigeren Kaftan gekleidet vor den Sultan. Allerdings nicht ohne die Forderung, zu einem späteren Zeitpunkt noch kostbarere Ehrenroben zu erhalten.

Kupferstich des Diplomaten Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn, 1650/51.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek, http://data.onb.ac.at/rec/baa7928236, PORT_00105763_01 POR MAG

Im Gewand des Feindes

Nicht ohne Stolz präsentierten die Gesandten im Heimatland ihre orientalische Kleidung in Porträts, wie hier der kaiserliche Großbotschafter Johann Rudolf Schmid zum Schwarzenhorn (1650/51). Mit einem langen Mantelkleid und ungarischer Kopfbedeckung sitzend, zeigt er dem Betrachter in einer Truhe aufbewahrte Kostbarkeiten. Im Bildhintergrund sieht man ihn bei der Audienz mit dem Kindersultan Mehmed IV. Die ungarische Husarenmütze im Bild sollte den habsburgischen Anspruch auf Ungarn symbolisieren, um das sich Habsburger und Osmanen immer wieder Gefechte lieferten.

Auch als man in Europa längst über die tatsächliche Bedeutung der Verleihung von Kaftanen Bescheid wusste, präsentierten sich Diplomaten gerne in der Kleidung ihres Feindes. Das Tragen der osmanischen Kleidung sollte dabei unter anderem ihre Welterfahrenheit zeigen.

Man sieht also, Kleidung ist nicht gleich Kleidung, denn sie kann durchaus politische Botschaften vermitteln. (Lisa Brunner, 16.12.2020)