Aber in der Sekunde habe ich zu schimpfen angefangen, dass sogar der Mundl kurz die Luft angehalten hätte. Das war damals, als ich die ersten Infos über den neuen Defender bekam. Eine Welt brach in sich zusammen. Land Rover gab bekannt, dass der Neue keinen Leiterrahmen mehr haben wird, sondern eine selbsttragende Karosserie. Sie werden also aus dem legendären Geländewagen einen schnöseligen SUV machen. Und die Bilder bestärkten diese Annahme auch noch. Ende Gelände – Ende Legende.

Doch ich habe mich schnell gefangen. Ich werde es nicht ändern können. Was ich aber kann, beschloss ich, ist, diesen verfluchten Arbeitstag vorzeitig beenden, den Computer abdrehen, die dreckige grüne Hose mit den auf genähten Taschen an den Oberschenkeln anziehen, ein paar feste Bock dazu und gach eine Runde mit einem alten Defender im Gelände umackern.

Da standen wir dann. Der Eckige und der Dreckige. Er auf seinen schmalen Geländereifen, ich in den Stiefeln. Und dann machten wir uns her, über Steine, Felsen, Auf- und Abfahrten, die man zu Fuß nicht bezwingen möchte. Wenn er sich über eine Verschränkung besonders gefreut hat, hat er ein Radl gehoben. Manchmal hat er ein Steinderl geschmissen. Beim Schalten krachte er bestätigend mit seinem Getriebe.

Am nächsten Tage krachte ich. Auf der Liege von so einem Wunderdoktor, der einem mit etwas Hokuspokus und viel roher Gewalt die Wirbel wieder einrenkt. War es die Mischung aus Schweiß und Zugluft? Die elendige schiefe Sitzposition? Die miesen Sitze? Vermutlich bin ich einfach auch nur schon zu alt, um mit so einem Auto deppert zu sein. Jedenfalls fiel mir da bei einem Wirbelkracher ein, dass es vielleicht doch einiges zu verbessern gibt beim Defender. Nur eine Legende zu sein ist vielleicht doch zu wenig. Die Zeiten ändern sich, wie ich am eigenen Körper erfahre.

Eine Kleidergröße später steht er dann auf einmal vor mir. Der Neue. Das unschuldige Weiß mag den imposanten Eindruck nicht schmälern. Auf den Fotos hat er so knuffig ausgeschaut. Jetzt überlege ich, dass ich daheim beim Einparken aufpassen muss. Wenn ich unseren Fiesta übersehe und draufparke, wird der Unfallbericht vermutlich im Netz viral gehen, wie es jetzt so unendlich deppert heißt.

Vorurteile
Zwischendurch kommt einem dann allein schon wegen der Höhe des Wagens ein Schmunzeln aus. Etwa wenn man auf einer mehrspurigen Straße an der roten Ampel steht und nicht feststellen kann, ob in dem Angeber-SUV die eigenen Vorurteile bestätigt werden, weil man einfach zu hoch sitzt, um reinschauen zu können. Das andere Mal schmunzelt man unweigerlich, wenn man auf der Motorhaube die Riffelblechimitate aus hochglänzendem schwarzem Plastik sieht. Wer da einmal draufsteigt, dem wird das Lachen allerdings schnell vergehen. Und beim Anblick der Schlapfen auf dem Test-Defender tauchte auf einmal auch wieder das traurige SUV-Thema auf. Straßenreifen auf schwarzen Leichtmetallfelgen. Die sind auf der Straße fesch und komfortabel, im Gelände, wo es lustig wird, aber nicht zu gebrauchen.

Da hilft es dann auch nichts, wenn der Defender eine Wattiefe von 900 Millimeter hat, wenn man im schlammigen Untergrund stecken bleibt. Oder die 294 Millimeter Bodenfreiheit und Böschungswinkel von 38 und 40 Grad, wenn man im nassen Gras picken bleibt, bevor man den verfluchten Felsspalt, den es zu überwinden gilt, überhaupt sieht.
Obwohl, um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich schon sagen, dass es an ein Wunder grenzt, was der Defender mit den Straßenbock schafft. Mit Offroad-Radln kennt er dann gar kein Halten mehr. Außer natürlich, er muss das kurz, um ein Seil zum Alten zu legen, der zu bergen ist.
Innensicht
Da kann sich der Beifahrer dann genüsslich am Griff vor ihm, auf dem Armaturenträger, festhalten, damit ihn das Ruckeln beim Rausziehen nicht von den feinen Sitzen trennt. Ja, solche Spielereien, die an den alten Defender erinnern, gibt es im neuen. Eigentlich ist er aber ein Auto der Zeit, mit großem Display, jeder Menge elektronischer Helfer – wovon einige nur für die Fahrt im Gelände gebraucht werden –, feinem Leder und viel Platz.
Ja, im Alltag ist das ein ganz normaler Wagen, nur halt doppelt so groß und so teuer, der einem modernen SUV in nichts nachsteht. Im Gelände aber ist er eine echte Macht, mehr noch als der alte Defender in Kombination mit einem Chiropraktiker. Welches der beiden Autos man will, entscheidet man am einfachsten mit der Wahl der Reifen. (Guido Gluschitsch, 5.1.2021)