In Vertrauen auf das inzwischen insolvente Luftschloss Wirecard sind auch Aktienanleger Opfer des Bilanzbetrugs geworden – doch der Weg zu Schadenersatz ist lang und steinig. Zumal sich nun Fremdkapitalgeber dagegen stemmen, dass in diesem Fall auch Aktionäre aus der Insolvenzmasse bedient werden, was bei einer normalen Pleite nicht der Fall wäre. Vergangene Woche wurde ein Rechtsgutachten publik, wonach Aktionäre im Fall Wirecard nicht aus der Insolvenzmasse bedient werden können. Allein das Papier wurde im Auftrag von Gläubigern erstellt.

Auch der inhaftierte Ex-Wirecard-Chef wurde im Namen von geschädigten Anlegern bereits auf Zahlung geklagt.
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"Man spürt an dem Gutachten der Gläubiger, dass sie hochnervös sind", sagt Rechtsanwalt Lukas Aigner von der Kanzlei Aigner Lehner Zuschin, die in Österreich geschädigte Anleger vertritt. Darum liegt für ihn auf der Hand: Der Anteil der Banken und anderer Fremdkapitalgeber aus der Insolvenzmasse würde stark verwässert werden, wenn auch geschädigte Aktionäre daraus bedient würden. Aigner ist jedoch anderer Ansicht als das Rechtsgutachten und hat daher auch die Forderungen der Aktionäre beim Insolvenzverwalter eingebracht. Bis April will dieser Aigner zufolge darüber entscheiden, ob er diese Ansprüche anerkennt. Wenn nicht, dann könne gegen diese Entscheidung geklagt werden.

Ansprüche gegenüber Dritten

Das Anmelden der Forderungen sei auch Voraussetzung dafür, dass Schadenersatzansprüche gegenüber Dritten wie Wirecard-Bilanzprüfer EY nicht gemindert würden. Denn auch diesen Weg will Aigner beschreiten, zudem sei der österreichische Ex-Firmenchef Markus Braun, der hierzulande Liegenschaften besitze, auf Zahlung geklagt worden – "testweise", ergänzt Aigner.

Geschädigte Wirecard-Anleger vertritt auch die Wiener Kanzlei Breiteneder Rechtsanwälte, die ebenfalls die Ansprüche von 650 Aktionären an die Insolvenzmasse eingebracht hat. "Wir hoffen auf eine Insolvenzmasse von 500 bis 600 Millionen Euro", sagt Anwalt Eric Breiteneder. Die Quote aus der Insolvenzmasse wird seiner Schätzung nach "im Bereich von zehn Prozent" liegen. "Wir verfolgen auch Haftung gegen den Aufsichtsrat und EY", sagt er über weitere Stoßrichtungen. Eine Haftung gegenüber der deutschen Finanzaufsicht Bafin durchzusetzen, hält Breiteneder allerdings für "schwierig, aber nicht ausgeschlossen".

Beide Anwalte betonen, dass Anleger ihre Wirecard-Aktien verkaufen können, ohne Schadenersatzansprüche zu verlieren. Dies kann steuerlich von Vorteil sein, da man bei der 27,5-prozentigen Wertpapier-KESt auf realisierte Kursgewinne im gleichen Jahr erlittene Verluste gegenrechnen kann, was bei der fast wertlosen Wirecard-Aktie der Fall sein dürfte. Zudem können Geschädigte Ansprüche weiter anmelden. Aigner geht in Österreich von etwa 10.000 Geschädigten aus, viele seien aber noch nicht aktiv geworden. (Alexander Hahn, 23.12.2020)