Geht es um das Erreichen der Klimaziele, nimmt die Politik auch die Öl- und Gasindustrie in die Pflicht – wenn auch aus Sicht vieler Klimaschützer nicht im gebotenen Ausmaß. So will die EU-Kommission die Emissionen des klimaschädlichen Gases Methan, das nach Kohlendioxid in erheblichem Maße zum Klimawandel beiträgt, reduzieren. Zur Verringerung der Emissionen des farb- und geruchlosen Gases schlug die Kommission im Herbst eine Verpflichtung zur besseren Erkennung und Reparatur von Leckagen in der Gasinfrastruktur vor und will Praktiken wie das routinemäßige Abfackeln und Ablassen von Gasen unterbinden.

Nebenwirkungen

Denn auch bei der Gas- und Ölförderung ist Methan ein Problem. Der böse Bruder des CO2 entfleucht sowohl bei der Förderung als auch beim Transport. Global liegt der Anteil laut Lena Höglund Isaksson, Forscherin am International Institute for Applied Systems Analysis in Laxenburg, bei rund einem Viertel aller Methanemissionen, in Österreich bei fünf bis sieben Prozent.

Hierzulande ist das Umweltbundesamt derzeit dabei zu erheben, wo genau Methan entweicht. Denn die bisher verfügbaren Daten basieren auf Modellen und Hochrechnungen. Einfach ist das nicht, weil Methan aus vielen Quellen kommt. Erfasst werden diese flüchtigen Emissionen in der Treibhausgasinventur. Jene aus Öl- und Gassystemen hatten 2018 einen Anteil von 0,3 Prozent (entspricht 9,72 Kilotonnen) an den gesamten hierzulande emittierten Treibhausgasen. Seit 2015 haben sie sich um sieben Prozent reduziert.

Nicht alle Ölgesellschaften verhalten sich verantwortungsvoll. Das ruft immer wieder auch Umweltorganisationen auf den Plan.
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Ein viel größeres Problem befinde sich aber versteckt und unerkannt im Untergrund, warnt Pavle Matijevic. Es handelt sich um Bohrlöcher, so der Chef von PM Lucas, einem Dienstleister für die Öl- und Gasindustrie.

Messungen, die etwa vor drei Jahren in der Nordsee durchgeführt wurden, geben ihm recht. Forscher wiesen nach, dass jährlich tausende Tonnen Methangas aus dem Sediment rund um stillgelegte Förderbohrungen entweichen.

Erst in den letzten Jahren sei sich die Industrie der Problematik bewusst geworden, so Matijevic. Dabei handle es sich oft um jahrzehntealte Bohrlöcher mit allem, was dazugehöre, etwa Rohre, Förderleitungen und -anlagen. "Sie fördern aus nahezu erschöpften Lagerstätten, sodass diese beinahe keinen Ertrag abwerfen", so Matijevic.

Hohe Kosten

Aus welchem Grund? Es ist, wie so oft, eine Frage des Kostenaufwands. Lege man ein Bohrloch still, müssten Unter- und Obertageeinrichtungen abgebaut und rekultiviert werden. Dies verursache erhebliche Kosten, "sodass ein Aufrechterhalten des Förderbetriebs trotz Verlusten für die Unternehmen am Ende wirtschaftlich attraktiver ist, obwohl diese Praxis ökologisch mehr als infrage zu stellen ist", so Matijevic. Er spricht von beunruhigenden Entwicklungen und vielen verantwortungslosen Ölgesellschaften – die OMV zählt er nicht dazu.

Irgendwann ist jede Quelle erschöpft. Mit dem Aufräumen nehmen es dann manche nicht ganz so ernst.
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So werde nach wie vor Technik für Entsorgung oder Sanierung der Bohranlagen verwendet, die mehr als 60 Jahre alt sei. Man trage Anlagen an der Oberfläche ab, schneide die Sondenverrohrung in einer Tiefe von ein paar Metern ab und setze einen Zementstoppel darauf. Fertig, zumindest nach außen hin. Die restlichen Rohre und Pipelines bleiben in der Erde, teilweise kilometertief. Oft wisse man bei alten Anlagen gar nicht mehr, wo diese zu finden seien, und schon gar nicht, in welchem Zustand sich die Rohre unterhalb der Erdoberfläche befänden.

Eine nicht zu vernachlässigende Gefahr sowohl für das Grundwasser als auch für das Erdreich, "das schleichend und unkontrolliert mit Kohlenwasserstoffen und anderen giftigen Substanzen kontaminiert" werde. Zudem seien nicht ausreichend abgedichtete Sonden eine "nahezu unendliche Langzeitquelle" des Methans.

Abgewälzt

Viele Unternehmen würden sich der Ölfelder entledigen und sie an kleine Zweckgesellschaften verkaufen. Meistens würden diese die Förderanlagen noch ein paar Jahre betreiben. Versiegen die Gewinne, schickt man sie in die Insolvenz.

Am Ende bleibe entweder der Verpächter, auf dessen Grund und Boden die Anlagen stehen, oder die Allgemeinheit auf den Kosten sitzen. Dabei handelt es sich nicht um Peanuts, sondern um Millionenbeträge. Allein in den USA liegt das Entsorgungskostenrisiko bei 280 Milliarden US-Dollar. Oft seien die Verpächter einfache Bauern, deren Existenz vernichtet werden könnte.

Wer hofft, das alles sei weit weg, den belehrt der "alte Ölmann" (Eigendefinition, Anm.) Matijevic eines Besseren: "Man darf hier keine falschen Schlüsse ziehen. Genau dasselbe findet man auch in Europa (Deutschland, Österreich, Rumänien etc.) wo wir zehntausende Bohrungen haben." (rebu, 2.1.2021)