Mögen unschuldige Kinder aus ihrer Schule und ihrem gesellschaftlichen Umfeld unbarmherzig herausgerissen und in die ihnen fremde Heimat ihrer Eltern abgeschoben werden, dürfen andere in griechischen Lagern ohne Hoffnung auf einen Funken Nächstenliebe des Bundeskanzlers um Gesundheit und Lebenschancen gebracht werden – Österreich bleibt doch ein katholisches Land.

Wo anders als hier entfaltete das Sakrament der Lebensbeichte seine Wirkung, wie sie der Fluchthelfer eines gesuchten Finanzdienstleisters endlich abgelegt hat? Die späte Reue wurde sofort damit belohnt, dass der Sünder auf freien Fuß gesetzt ward. Anderswo hätte man vielleicht ganz banal von einem Geständnis gesprochen, aber wo der gegenwärtige Innenminister als Exorzist auftritt, die Teufel auszutreiben, die unter seinen gesinnungsnahen Vorgängern zum Schutz der Verfassung und zur Abwehr von Terrorismus amtieren durften, soll es an Weihrauch nicht fehlen. Er sei angetreten, den Verfassungsschutz neu aufzustellen und zu reformieren, lautet seine Frohbotschaft, womit er sich ein Charisma verleiht, das ihn von den Innenministern vor ihm abheben soll, ohne angesichts bisheriger türkiser Personalpolitik damit besonders glaubwürdig zu wirken.

Karl Nehammer, türkiser Innenminister.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Karl Nehammer tritt bei der Reform des BVT mit einem gesunden, nicht nur historisch begründeten Misstrauensvorschuss an. Durchaus auch vonseiten der Grünen, was allerdings nicht allzu viel heißen will, lässt sich deren Rolle in der Regierung annähernd mit dem Fachausdruck Stockholmsyndrom beschreiben.

Sie fordern eine Neugründung, werden sich aber letztlich mit dem zufriedengeben, was Nehammer unter einer Reform des BVT versteht. Die Versuche des ÖVP-Sicherheitssprechers Karl Mahrer, alle Übelstände, die der Volkspartei zur Blüte der türkis-blauen Koalition gar nicht aufgefallen sind, nun Herbert Kickl in die Schuhe zu schieben und jede Parteibuchwirtschaft in eigener Sache zu leugnen, deuten an, wie es laufen wird: von Umkehr wenig zu sehen. Objektive Personalauswahl, lupenrein nur nach Qualifikation, ist schwer, war aber nie Schwäche diensthabender Innenminister, ob schwarz oder türkis.

Viel Vertraulichkeit

Kickl wird da auch noch einiges dazu sagen. Möglicherweise schon am Sonntag. Für diesen Tag hat ein rechtsnationales Magazin zu einer Kundgebung gegen die Corona-Politik der Regierung und Kickl als Redner geladen (Anm. die für das Wochenende angekündigten Großdemonstrationen wurden zum Großteil mittlerweile von der Polizei untersagt, die FPÖ kündigte eigene Kundgebung an). Das trifft sich gut, denn wie es der Zufall will, ist es diesem ein "inneres Anliegen", der Regierung dort eine "unmissverständliche Botschaft" auszurichten. "Für die Freiheit, gegen Zwang, Willkür, Rechtsbruch" in die Schranken zu treten, ist der Ritter vom Rossknödel wie kein anderer berufen. Für Nehammer wird das nach dem 16. Jänner zur zweiten Bewährungsprobe, man darf gespannt sein, wie weit er mit der Evaluierung der Erkenntnisse von damals inzwischen gekommen ist, wie viel Lernfähigkeit man von ihm also auch auf anderen Gebieten erwarten darf.

Damals gab es viel Vertraulichkeit zwischen Rechtsextremen und Polizei. Was diese am Samstag unternehmen wird, wenn ein Abgeordneter ohne Maske und ohne den großen Elefantenabstand von Gesinnungsfreunden einzuhalten, der Narrenfreiheit ein freiheitliches Wort redet, wird interessant. Zur Not kann sie sich an Gegendemonstranten halten. (Günter Traxler, 29.1.2021)