Eine Aerobic-Lehrerin trainierte mitten im Armeeputsch offenbar unbeeindruckt vom Militäraufmarsch.

Screenshot: iNewsid

Naypyidaw – Nach dem Putsch in Myanmar hat das Militär ein neues elfköpfiges Kabinett ernannt. Dieses bestehe größtenteils aus Generälen und früheren Militärspitzen sowie einigen Mitgliedern der von der Armee gestützten Solidarity and Development Party (USDP), berichtete die Zeitung "The Irrawaddy" am Dienstag. Der Uno-Sicherheitsrat wird sich am Dienstag in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Militärputsch befassen.

Viele der Mitglieder der neuen Regierung waren bei der Parlamentswahl im November als Kandidaten gescheitert. Nun bekommen sie hohe Ministerposten. Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts habe der mächtige General Min Aung Hlaing bekanntgegeben, der während des einjährigen Notstands die oberste Befehlsgewalt innehat, hieß es.

Das Militär hatte in der Nacht auf Montag die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und zahlreiche ranghohe Mitglieder der zivilen Regierung festnehmen lassen. Wo sie sich derzeit aufhalten, ist weiter unklar. Der Putsch sorgte international für empörte Reaktionen. In der Hauptstadt Naypyidaw waren am Dienstag bewaffnete Soldaten zu sehen.

Suu Kyi offenbar wohlauf

Suu Kyi und ihre Partei NLD hatten die Parlamentswahl klar gewonnen. Die 75-jährige frühere Freiheitsikone war damit für eine zweite Amtszeit gewählt worden. Das Militär hatte aber zuletzt das Wahlergebnis angezweifelt. Offiziell wird möglicher Wahlbetrug als Grund für den Putsch genannt.

Die Partei der festgesetzten De-facto-Regierungschefin Suu Kyi forderte am Dienstag deren sofortige Freilassung. Der Staatsstreich beschmutze die Geschichte des Landes und der Armee, erklärte die Nationale Liga für Demokratie (NLD) am Dienstag auf Facebook. Das Militär müsse das Ergebnis der Wahlen vom vergangenen Jahr anerkennen. Aung San Suu Kyi ist nach NLD-Angaben wohlauf. Man habe erfahren, dass es der Friedensnobelpreisträgerin gesundheitlich gut gehe, teilte Kyi Toe, ein ranghoher Vertreter der Partei, am Dienstag auf Facebook mit.

Uno befasst sich mit Machtübernahme

Die Sitzung des Weltsicherheitsrats zu Myanmar (ab 16 Uhr MEZ) wird per Videokonferenz und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Forderungen nach einer entschlossenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft wurden im Vorfeld lauter. Die 27 EU-Staaten drohten: "Die Europäische Union wird alle ihr zur Verfügung stehenden Optionen in Erwägung ziehen, um sicherzustellen, dass sich die Demokratie durchsetzt." Der Versuch, sich gewaltsam über den Willen der Menschen in Myanmar hinwegzusetzen, werde nicht hingenommen. Der Uno-Sonderberichterstatter für Myanmar, Tom Andrews, sagte der Deutschen Welle: "Wir wissen aus Erfahrung, dass die Junta in Myanmar die Sprache der Wirtschaftssanktionen versteht."

US-Präsident Joe Biden hatte Myanmars Armee am Montag aufgerufen, die Macht "sofort" wieder abzugeben und alle Festgenommenen freizulassen. Auch er drohte zugleich neue Sanktionen an: "Die USA haben im vergangenen Jahrzehnt basierend auf dem Fortschritt hin zu Demokratie Sanktionen gegen Myanmar aufgehoben", erklärte das Weiße Haus. Die "Umkehrung dieses Fortschritts" mache eine "sofortige Überprüfung" der Sanktionsgesetze notwendig – und in einem nächsten Schritt "angemessenes Handeln".

Aerobic-Lehrerin trainierte mitten im Armeeputsch

Offenbar ungetrübt vom Militärputsch hat eine Sportlehrerin ihr morgendliches Aerobic-Programm absolviert – und dabei ungewollt Straßensperren, Militärfahrzeuge und Soldaten mitgefilmt. Das auf Facebook gepostete Video kursiert seither überall im Netz. Die junge Frau im neongelben Outfit tanzt und springt dabei unbekümmert zu dynamischer Musik. Der Hintergrund: eine große Straße in Naypyidaw, auf der plötzlich ein Militärkonvoi in Richtung Parlament rollt.

Auf Twitter spekulierten viele User, es könne sich nur um ein Fake-Video handeln. Sportlehrerin Khing Hnin Wai reagierte prompt und postete zahlreiche weitere Videos, die sie in der Vergangenheit an der gleichen Stelle aufgenommen hatte. Dabei war die vielspurige Straße im Hintergrund immer leer zu sehen. "Ich habe nicht getanzt, um berühmt zu werden. Ich komme seit elf Monaten im Rahmen einer 'Fitness Dance Competition' immer dorthin", schrieb sie dazu.

Die Facebook-Videos von Khing Hnin Wai.

Leere Straßen normal

In Naypyidaw sind riesige Straßen ohne jeglichen Verkehr ziemlich normal. Die Planstadt ist erst seit 2005 Hauptstadt von Myanmar und war von der Militärjunta, die schon bis vor ein paar Jahren jahrzehntelang das Land beherrschte, erbaut worden. Obwohl sie flächenmäßig 17-mal so groß ist wie Wien, leben hier nur etwa 300.000 Menschen – Beobachter betiteln die Stadt irgendwo zwischen "skurril" und "grotesk".

Ein User schrieb dazu: "Das Video wurde in Naypyidaw gefilmt, wo fast niemand lebt und meist nicht mal eine Katze über die Straße läuft. Das Video mag als Fake erscheinen, ist es aber nicht." Ein anderer meinte: "Und so kam es dazu, dass die Revolution am Ende doch gefilmt wurde – auch wenn nur als Hintergrund einer Aerobic-Klasse." (red, APA, 2.2.2021)