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Anfang Juni 2020 fand eine Truppenrotation für den Eufor-Einsatz in Bosnien statt. Bei der Abreise fehlte aber der österreichische Milizoffizier M.

Foto: AP / Kemal Softic

Irgendwann während der Corona-Pandemie wirft jeder einmal die Nerven weg. Dass dies im Fall von Milizoffizier M. kurz vor seinem geplanten Auslandseinsatz in Bosnien passierte, hat für ihn nun schwerwiegende Konsequenzen. Obwohl es ihm wegen der Covid-Situation verboten war, verließ er Anfang Juni 2020 am Vorabend seiner Abreise die Kaserne im niederösterreichischen Götzendorf. Er sei in Panik verfallen, als er bemerkte, dass er seinen Reisepass zu Hause vergessen hatte. Wegen der unklaren Corona-Lage glaubte er, seine Entsendung stehe wegen des fehlenden Reisepasses auf dem Spiel. Am Montag wurde M. deshalb wegen Verletzung seiner Gehorsamspflicht vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nicht rechtskräftig schuldig gesprochen.

Sollte die Disziplinarstrafe über 500 Euro halten, bleibt M. drei Jahre lang für Auslandseinsätze gesperrt. Die Republik dürfte damit einen treuen Soldaten verlieren: Seit rund 15 Jahren dient er dem Bundesheer, mehrmals beteiligte er sich an internationalen Einsätzen; im Kosovo und zuletzt in Bosnien, wo er zum Hauptmann aufstieg. Seine Dienstzeugnisse sprechen mit lauter "Sehr gut" für ihn. In Österreich war der Milizsoldat in den vergangenen Jahren nur noch während der sogenannten "Abkühlungsphasen" – also zur Pause von den Einsätzen. Bei seinem Onkel in der Steiermark hat M. nach eigenen Worten "nur einen Kasten und ein Bett".

Eine Nacht in "Panik"

Im Gerichtssaal war man sich von Beginn an einig: Ein Befehlsbruch liegt vor. Auch der Milizoffizier zeigte sich geständig, erklärte sein Verhalten aber so: Am Vorabend der Abreise sei er wegen des vergessenen Reisepasses in Panik verfallen. Überstürzt verließ er die Kaserne mit seinem privaten Pkw – die Wachposten ließen ihn gewähren, obwohl sein Name auf der Liste mit jenen Soldaten stand, die laut Befehl kaserniert waren. Erst im Auto versuchte er sich telefonisch zu seinen Vorgesetzten durchstellen zu lassen, um sich zu erklären – vergebens. Während M. die Nacht auf der Suche nach seinem Pass im Haus seines Onkels verbrachte, fand man in der Kaserne am Morgen darauf sein Zimmer verschlossen vor.

Die Busse Richtung Bosnien und die Soldaten des Österreich-Kontingents der Eufor-Truppen standen bereit, nur M. fehlte. Dieser versuchte via Telefon seine Entsendung nicht zu gefährden. Gegenüber Vorgesetzten beteuerte er, dass er doch mit seinem privaten Pkw den Bussen hinterherfahren könne, um an der Grenze in Spielfeld zuzusteigen. Sollte trotz seines negativen Corona-Tests die Gefahr bestehen, dass er wegen des Quarantänebruchs andere Kameraden gefährde, könne er hinter den Bussen mit seinem Privatauto fahren und sich in Bosnien noch einmal testen lassen, so sein Vorschlag. All das sei allein aus versicherungstechnischen Gründen nicht möglich, erwiderte die Behörde. Im Nachhinein stellte sich zusätzlich heraus, dass er auch nur mit seiner Eufor-Karte hätte ausreisen können.

Befehl ist Befehl

Warum scheute M. trotz des Schuldgeständnisses doch keine Mühen, vor Gericht zu ziehen? "Ich wollte gehört werden", sagte er im Gerichtssaal. Schließlich soll ihn der zuständige Oberstleutnant P. nicht befragt haben – was in einem abgekürzten Verfahren laut Heeresdisziplinargesetz nicht zwingend notwendig ist. Immer wieder blitzte auch eine persönliche Komponente auf: M. wollte nachdrücklich protokolliert wissen, dass P. ihn schon damals sofort aus dem Bundesheer habe entlassen wollen. So soll er gesagt haben: "Wenn es nach mir ginge, würden Sie gar nicht mehr ins Ausland fahren." Sein Vorgesetzter habe das persönlich genommen, sagte M. So soll er gleich darauf hingewiesen worden sein, dass er in Österreich nur Oberleutnant sei, der Dienstgrad Hauptmann nur für Bosnien gelte.

Das Verfahren brachte aber auch einige Behördenfehler zutage: So wollte die Behörde M. auch wegen einer Meldepflichtverletzung verurteilt wissen, dies sei laut Gericht aber als Vorbereitungshandlung und somit nicht noch einmal extra zu werten. Außerdem missachtete die Behörde laut Urteilsspruch einige Milderungsgründe, etwa das makelloses Dienstzeugnis von M. Die Strafe wurde deshalb von 700 auf 500 Euro herabgesetzt.

Beim Militär bleibt ein Befehl jedoch zu befolgen. Aus generalpräventiven Gründen wog die Tat für Richter Ewald Schwarzinger schwer: "Es kann nicht sein, dass der Eindruck entsteht, dass man sich über Befehle hinwegsetzen kann", so Schwarzinger, der in seiner Vergangenheit selbst als Unteroffizier beim Bundesheer diente. M. habe mit Vorsatz gehandelt, und gerade das Bundesheer müsse in Zeiten einer Pandemie seine Einsatzbereitschaft gewährleisten. Milizoffizier M. erbat sich Bedenkzeit, mittlerweile arbeitet er in der Elektronikindustrie. (Laurin Lorenz, 9.2.2021)