Mit ihrem Bau- und Immobilienkonzern Inteco erwirtschaftete Elena Baturina ein milliardenschweres Vermögen. Sie und ihr Bruder erheben in einem Rechtsstreit schwere Vorwürfe gegeneinander.

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Innsbruck – Was am Innsbrucker Landesgericht verhandelt wird, deckt ein breites Spektrum des Straf- und Zivilrechts ab. Ein Fall sticht allerdings heraus, der Streit zwischen der einst reichsten Frau Russlands, Elena Baturina, und ihrem Bruder Viktor Baturin. Denn das Tiroler Gericht spielt eine wichtige Rolle in einem Streit um 250 Millionen Euro, der STANDARD hat berichtet. Nun liegt ein Gutachten vor, das neuen Schwung in die Causa bringt.

Dem zufolge dürfte die Witwe des umstrittenen Moskauer Ex-Bürgermeisters Juri Luschkow Unterschriften auf einem Abkommen gefälscht haben, das eine Abfindung von Unternehmensanteilen regeln sollte. Bei russischen Gerichten kam Viktor Baturin mit seinen Vorwürfen bisher nicht durch, deswegen wandte er sich an das Innsbrucker Gericht. Das ist möglich, weil Baturina in Tirol einen Zweitwohnsitz hat und dort bis vor drei Jahren ein Hotel führte.

Streit um Millionen

Das Geschwisterpaar gründete Anfang der 1990er-Jahre zusammen das Unternehmen Inteco, das sich über die Jahre zu einem milliardenschweren Industrie- und Immobilienkonzern entwickelte. Die beiden zerstritten sich, und Viktor Baturin verließ die Firma. Seine Abfindung wurde 2008 in einem "freundschaftlichen Abkommen" geregelt. Allzu freundschaftlich lief das allerdings nicht. Die Abfindung entspricht dem Wert von 25 Prozent der Inteco-Anteile – die eingangs erwähnten 250 Millionen Euro.

Streitpunkt ist ein Dokument und der entsprechende Anhang, von dem jedoch zwei unterschiedliche Versionen vorliegen. In Baturinas Ausfertigung verzichtet Viktor Baturin auf das Geld; in seiner Version tut er das nicht. Ihm zufolge fälschte Baturina seine Unterschrift. Das Landesgericht Innsbruck beauftragte einen Gutachter, um die Unterschriften wissenschaftlich zu analysieren. Zu diesem Zweck gaben Bruder und Schwester im Spätsommer Unterschriftenproben ab. In dem Gutachten, das dem STANDARD vorliegt, kommt der Experte zu dem Schluss, dass Elena Baturina die Signatur des Bruders auf ihrem Dokument "mit hoher Wahrscheinlichkeit" selbst angefertigt hat.

Noch Zeit für Stellungnahme

Wie es in Innsbruck weitergeht, ist noch nicht klar. Bis Ende Februar haben die beiden Parteien Zeit, sich zu dem Gutachten zu äußern. Von einer Klage bis zu einer außergerichtlichen Einigung sei alles möglich, sagt ein Gerichtssprecher. Termin für eine weitere Verhandlung geben es momentan jedenfalls keinen.

Das zerstrittene Geschwisterpaar vertritt diametral unterschiedliche Ansichten. Viktor Baturins Finanzvertreter brachte bei einem Moskauer Gericht eine Forderung über die 250 Millionen ein. Man sei sich aufgrund des Gutachtens sicher, vom Gericht recht zu bekommen, sagt sein Sprecher.

Es müssten weitere Aspekte berücksichtigt werden, die klar zugunsten von Elena Baturina sprechen, heißt es auf der Gegenseite. Im Detail werde man sich zum Gutachten nicht äußern. Außerdem erachte man die Forderung in Moskau als gegenstandslos. Sie ziele darauf ab, vorherige Gerichtsentscheidungen zu revidieren, und sei nicht mit russischem Recht vereinbar.

Korruptionsvorwürfe

Elena Baturina war bis vor einem Jahr die reichste Russin, Forbes schätzt ihr Vermögen auf 1,1 Milliarden Euro. Ihren wirtschaftlichen Erfolg führen Kritiker auf politischen Rückenwind durch den verstorbenen Moskauer Bürgermeister Luschkow zurück. Baturina verklagte jedoch bisher jeden erfolgreich, der solche Behauptungen aufstellte.

Viktor Baturin selbst saß mehr als fünf Jahre im Gefängnis wegen Finanzvergehen und Liegenschaftsbetrugs. Er erhebt deswegen schwere Korruptionsvorwürfe gegen die russische Justiz. Baturina bestreitet, etwas damit zu tun zu haben. Sie hätte 2011 wegen einer Kampagne gegen ihren Mann Russland verlassen müssen und bei der Verurteilung 2013 niemand beeinflussen können. Die Verfahren gegen Viktor seien nicht von ihr ausgegangen. (Andreas Danzer, 13.2.2021)