Wer im Sommer fesch sein will, muss im Winter trainieren. Das gilt am Strand genauso wie auf der Straße. Wer am Motorradl huckt wie eine gschreckte Katz, wird weder die anderen beeindrucken noch a große Freud am Fahren haben, und gefährlich unterwegs ist man so steif auch. Weil man so, mit ausgestreckten Ärmeln und unbeweglich in der Hüfte, nicht auf Gefahren reagieren kann. Ein kleines Steinderl beim Anbremsen unterm Vorderradl – und der Sturz ist wahrscheinlicher als der Regenguss bei der nächsten Ausfahrt.

Während die Zulassungszahlen bei motorisierten Zweirädern stiegen, gingen die tödlichen Unfälle zwar zurück, aber 73 tödlich Verunglückte sind immer noch zu viele.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

2020 waren in Österreich 570.760 Motorräder zugelassen. Das ist ein Plus von 3,8 Prozent gegenüber 2019. 32.204 Motorräder und Leichtmotorräder wurden neu zugelassen. Die Daten der Statistik Austria, die der ÖAMTC verschickt hat, sind zwar noch vorläufig, aber das Bild ist klar. Das Motorrad boomt – wohl nicht zuletzt wegen Corona. Auf einmal zieht der Freiheitsgedanke wieder. Aber mit dem allein ist es nicht getan. Motorradfahren ist nicht Himbeersafttrinken. 73 Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer verunglückten 2020 tödlich – zwar 7,6 Prozent weniger als 2019, aber immer noch viel zu viele. Motorradfahren braucht Training, Routine und Vertrauen. Die Grundlagen dafür, dass man in der Saison nicht wegen einer Kleinigkeit vom Bock fällt, holt man sich im Winter.

Auf der Trial kann man auch im Winter die Koordination trainieren, ohne dass einem kalt wird.
Foto: Guido Gluschitsch

Ich persönlich bin immer schon im Winter mehr Motorrad gefahren als im Sommer. Zum Trialfahren braucht man keine 30 Grad und keine splitfreien Bergstraßln. Dafür reicht auch ein kleiner Garten oder eine Dachterrasse und verständnisvolle Nachbarn. Weil ich es mir mit Letzteren aber nicht allzu sehr verscherzen wollte, nahm ich eine Alternative gerne an: das Hallentraining von Roland Resch. Das macht er normalerweise den ganzen Winter durch. Wenn man da einmal hingeht, lernt man extrem viel, wer regelmäßig hingeht, fängt die Saison sogar besser an, als er die letzte beendet hat.

Wer die Motorradsaison besser anfangen will, als er die letzte beendet hat, sollte im Winter trainieren.
Foto: Wolf-Dieter Grabner

Jetzt haben die Lockdown-Regeln aber auch dieses Training nicht mehr erlaubt. Bis jetzt. Der Motorradprofi Resch darf nach dem Ausarbeiten eines strengen Maßnahmenkatalogs sein Hallen-Fahrsicherheitstraining wieder veranstalten. Ja, es ist alles ein wenig komplizierter, man muss sich in einem Einbahnsystem in der Boxengasse bewegen, dort natürlich Abstand halten und Maske tragen. Das fällt aber kaum auf, weil man die meiste Zeit eh am Motorrad sitzt. Das geht ohne Maske. Die Halle ist riesig, es gibt keine zehn Teilnehmer – und zudem wird die Luft permanent abgesaugt.

In der Halle wird bei Roland Resch, unabhängig vom Wetter draußen, das Verhalten im Grenzbereich trainiert.
Foto: Roland Resch

Kurzum, das Training kann wieder losgehen, und der Zuspruch ist enorm. Samstagstermine sind auf lange Zeit so gut wie ausgebucht, und man braucht schon ein wenig Glück, da noch einen Platz zu bekommen. Unter der Woche schaut es ein wenig besser aus.

Rost lösen

Worum geht es bei dem Training? Roland sagt gern, "darum, den Rost zu lösen, der sich über den Winter angesammelt hat". Das stimmt zwar, ist aber dennoch zu kurz gegriffen. Auf kleinen 125er-Yamaha-Crossern mit Stoppelreifen werden auf einem sehr kurvenreichen Parcours bei niedrigem Tempo alle Bewegungsabläufe wieder automatisiert. Erschwerend kommt dazu, dass der Belag sehr rutschig ist, man also schnell in den Grenzbereich kommt. Das ist aber auch wichtig, um rasch und effizient lernen zu können. Weil: Wenn dir einmal im Jahr der Reifen leicht wegrutscht, machst du dir ganz normal in die Hose. Wenn das in einer Trainingssituation in fast jeder Kurve passiert, hast du nach wenigen Runden den Dreh heraußen, fürchtest dich nicht mehr davor und meisterst die Situation bald fast schon unterbewusst.

Es ist schier unglaublich, welche Schräglagen man selbst auf rutschigem Untergrund mit etwas Training und den richtigen Anweisungen ohne Probleme meistern kann. Das schafft Vertrauen ins Motorrad und die eigenen Fähigkeiten.
Foto: Roland Resch

"Fünf Jahre habe ich gebraucht", sagt Roland Resch, "um die ideale Kombination aus Motorrad, Reifen und Untergrund zu finden." Jetzt passt es. Das heißt nicht, dass er auf der Suche nach Pneus war, die auch unter diesen Bedingungen enorm viel Grip aufbauen. Fast schon im Gegenteil. Er war auf der Suche nach einem extrem großen Grenzbereich. Das heißt, wenn ein Rad ein wenig rutscht, dann tut es das gerne und lange. Man muss sich nicht fürchten, dass der Grip von einem Moment auf den anderen komplett abreißt und man am Boden liegt, oder sich der Reifen ebenso schnell fängt und man mit einem Highsider absteigt. Es ist fast ein bisserl wie Schwimmen mit Schwimmflügerln. Man ist nicht schnell, aber man muss sich schon extrem deppert anstellen, dass einem was passiert.

Maximal 90 Prozent

"Grundregel im Training ist", sagt Roland Resch, "nie ans Limit zu gehen, sondern wer mit 90 Prozent fährt, ist auf der sicheren Seite und lernt viel." Klar, wenn man es übertreibt, dann liegt man schon einmal, wie ich gleich in der ersten Runde. Aber das ist bei dem Tempo meist auch kein Problem, wenn man sich an das hält, was einem der Roland bei der Vorbesprechung über die Linienwahl sagt.

Überambitionierte – oder Beratungsresistente – können neben dem Fahren auch gleich das Kreuzheben trainieren.
Foto: Roland Resch

Dass das Training nebenbei auch noch eine ziemliche Hetz ist, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Wie man das mit dem Muskelkater am nächsten – und in meinem Fall auch am übernächsten – Tag hält, muss jeder für sich entscheiden. Den haben übrigens fast alle – obwohl zu diesem Training die unterschiedlichsten Leut kommen. Da sind die Vollblutrennfahrer genauso dabei wie Personen, die erst eine Saison am Motorrad in den Knochen haben. Jeder kann auf seinem Niveau trainieren und sich verbessern.

Man muss beim Training nicht am Knie fahren können oder wollen. Einsteiger sind hier genauso gut aufgehoben wie Tourenfahrer oder Racer. Eine Saison am Motorrad sollte man allerdings schon hinter sich haben.
Foto: Roland Resch

Am Knie fahren zu können ist keine Bedingung. Aber es kann gut sein, dass man es nach diesem Training trotzdem kann. Denn der Roland erklärt einem nicht nur, wozu der Hangoff gut ist, sondern auch, wie man ihn richtig fährt. Den lernt man bei dem Training also schon, auch wenn das Knieschleifen an sich nicht wichtig ist.

Neigungsgruppe STANDARD-Schräglage

Weil die Buchungssituation beim Hallentraining schon wenige Tage nachdem es wieder startete überaus gut war, hab ich mir für uns einen Termin gesichert. Den 30. März. Wer da Zeit und Lust hat, gemeinsam mit anderen aus der STANDARD-Community und mir zu trainieren, schreibt mir bitte eine Mail. Weil der Roland nur mit begrenzter Teilnehmeranzahl arbeitet, um sich jedem ausreichend widmen zu können, kommen die ersten zehn Anmeldungen zum Zug.

Los geht es um 9 Uhr. Da sollten aber schon alle im Leder (Textil geht auch, aber Leder ist besser) stecken und die Anmeldung erledigt haben – also am besten man ist gegen 8.30 Uhr bei der Karthalle Daytona in Langenzersdorf. Das Training dauert bis 12 Uhr und kostet pro Teilnehmer 300 Euro. Die Motorräder stellt Roland Resch, der Sprit ist inkludiert – und ein etwaiges Sturzbudget zur Not auch. Weitere Infos finden Sie hier. Ich freu mich schon auf die gemeinsamen Runden. (Guido Gluschitsch, 4.3.2021)