Geoffrey R. Hoguet, ein Nachfahre der Rothschilds, kämpft vor Gericht um Einfluss auf die Rothschild-Stiftung.

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Das Neurologische Zentrum am Rosenhügel ist heute Teil des Spitals Hietzing.

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Wien – Es sind heftige Verfehlungen, die Geoffrey R. Hoguet, ein Nachfahre der legendären Bankiersfamilie Rothschild, der Stadt Wien vorwirft. Hoguet, bis 1997 auch im Vorstand der Creditanstalt Investmentbank tätig, spricht von einer "perpetuierten Arisierung", die auch mehr als 70 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes andauere.

Hoguet bezieht sich auf das Verhalten Wiens bezüglich der Nathaniel Freiherr von Rothschild’schen Stiftung für Nervenkranke. Hoguets Urgroßvater Albert Freiherr von Rothschild hat diese im Jahr 1907 in Erfüllung eines Testamentsnachtrags errichtet. Das Stiftungsvermögen betrug 20 Millionen Kronen – auch nach heutigem Wert (rund 122 Millionen Euro) eine gewaltige Summe für eine wohltätige Stiftung.

Zwei Kliniken für Nervenkranke errichtet

Errichtet wurden damit zwei Kliniken für Nervenkranke. Bis heute existiert die Nervenheilanstalt Rosenhügel, die mittlerweile unter dem Titel Neurologisches Zentrum firmiert und Teil der städtischen Klinik Hietzing ist. Das Spital Maria-Theresien-Schlössl wurde aufgelöst, der Betrieb im Jahr 2002 auf die Baumgartner Höhe verlegt. Anders als in der Stiftungsurkunde vorgesehen, haben die Rothschilds bei dieser Stiftung heute aber gar nichts mehr mitzureden.

Im Jahr 1939 wurde die Stiftung durch die Nazis arisiert und aufgelöst. Das Vermögen wurde, bis auf eine "Verwaltungsgebühr" für das Dritte Reich in Höhe von 651.250 Reichsmark, der Stadt Wien übertragen. Erst 1956 wurde die Stiftung wiederhergestellt – allerdings ohne Einsetzung des bisherigen Kuratoriums. Vor der Arisierung saßen zwölf Personen im Gremium: Neun Mitglieder wurden von der Familie Rothschild bestellt, die restlichen Plätze waren für den "Statthalter für Niederösterreich, den Landmarschall für Niederösterreich und den Bürgermeister der Stadt Wien" vorgesehen. Wien war damals noch ein Teil Niederösterreichs. Nach der Wiederherstellung blieb die Rothschild-Stiftung aber unter Verwaltung des Magistrats.

Wiedereinsetzung des Kuratoriums gefordert

Hoguet fordert die Wiedereinsetzung des ursprünglichen Kuratoriums und somit Einfluss der Familie Rothschild auf die Stiftung. Für den zuständigen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) kam das bisher nicht in Frage. Er verwies auf einen enormen Verlust der mündelsicheren Wertpapiere der Stiftung noch vor Kriegsbeginn. 1938 seien nur noch umgerechnet 7,3 Millionen Euro übrig gewesen. Damit hätte sich kein Spital mehr betreiben lassen, sagte Hacker im März 2020.

Hoguets Anwalt Wulf Gordian Hauser kontert dem Argument, wonach 1956 nicht mehr ausreichend Vermögen für die Erfüllung des_Stiftungszwecks vorhanden war. "Wenn das stimmen würde, hätte die Stadt Wien die Stiftung gar nicht mehr herstellen dürfen", sagte Hauser dem STANDARD. Denn Stiftungen waren per Gesetz nur dann wiederherzustellen, wenn "ihr Vermögen die Erfüllung des Stiftungszweckes gewährleistet".

Hoguet kritisiert zudem, dass der Magistrat als Verwaltungsorgan der Stiftung 2017 eine Stiftungssatzung geändert hat. Quintessenz: Die Stadt ist Letztbegünstigte, sollte es zur Stiftungsauflösung kommen. Genehmigt wurde diese Änderung übrigens von der Stadt Wien. Laut Hauser hätte aber jede Änderung der Zustimmung des Rechtsnachfolgers der Stiftung nötig gemacht – und dieser sei eben Hoguet. Am kommenden Montag wird die Beschwerde Hoguets vor dem Landesverwaltungsgericht Wien verhandelt: Er fordert die Aufhebung der Statutenänderung.

Gang vor Verfassungsgerichtshof ist Thema

Die Stadt verteidigt sich hingegen damit, dass man nur Vorgaben der Finanzbehörden umgesetzt habe. Wien sei zudem nur dann letztbegünstigt, wenn zum Zeitpunkt der Auflösung keine andere gemeinnützige oder mildtätige Stiftung mit gleichen und ähnlichen Zwecken wie die Rothschild-Stiftung oder eine andere gemeinnützige und mildtätige inländische Organisation existiert.

Diese Statutenänderung war auch schon im Februar 2020 vor dem Bezirksgericht Hietzing Thema, als Hoguet den Rechtsstreit mit der Stadt begann. Laut Anwalt Hauser hat das Gericht einen Kollisionskurator bestellt: "Dagegen hat aber die Stadt Rekursion erhoben." Sollte die Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht abgewiesen werden, will Hoguet vor den Verfassungsgerichtshof ziehen.

Ein Gespräch mit Hacker oder Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in dieser Sache hat es noch nicht gegeben. Davor verlangt Hoguet transparente Akteneinsicht in die Stiftungsakten, die ihm bisher vom Magistrat verwehrt wurde. Vom Verhalten Wiens zeigte sich Hoguet "extrem enttäuscht". Die Stadt Wien kündigte auf Anfrage eine Stellungnahme für Freitagvormittag an. (David Krutzler, 18.3.2021)