Gebrauchte Fahrräder? Ja gern, aber nicht jetzt. Man möge sich doch im Sommer wieder melden. Die Botschaft des jungen Mannes eines Fahrradverleihs im ersten Wiener Gemeindebezirk lautet: bitte warten. Der Dienstleister, der nicht nur Räder vermietet, sondern auch geführte Touren per Bike anbietet, tauscht regelmäßig seinen Fuhrpark aus und verkauft die gebrauchten Drahtesel an Interessenten. Heuer wäre es wieder so weit gewesen, allein der Nachschub fehlt. KTM könne nicht liefern.

Stefan Limbrunner, Geschäftsführer von KTM, bestätigt Engpässe. Das Nadelöhr seien die Lieferkette, die "volatile" Infektionslage und wiederkehrend fehlende Komponenten. Im Vorjahr hat die oberösterreichische Fahrradschmiede kräftig Personal aufgestockt. KTM beschäftigt in Mattighofen seither um 15 Prozent mehr Mitarbeiter als vor der Krise. Statt 800 montieren diese 1.000 Räder am Tag, eigentlich sollten es aber 1.200 sein, sagt Limbrunner. Demnächst wird man zum ersten Mal in der Geschichte des heimischen Marktführers in der Lackieranlage auf Zwei-Schicht-Betrieb umstellen. Bis Ende März braucht man weitere 20 bis 30 Leute. Heuer werden zudem neue Hallen in Betrieb genommen. "Wir haben noch nie so viel investiert", sagt Limbrunner.

Ob in der Stadt oder auf dem Land, viele Menschen haben die Vorzüge des Fahrradfahrens erkannt.
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Das Rad erlebte schon vor Corona eine Renaissance, die Pandemie hat den Boom weiter befeuert und das nicht nur in Österreich, beschreibt Holger Schwarting, Chef von Sport 2000, die von 300 Händlern getragen wird, die Lage. In Europa haben sich die Verkaufszahlen verdoppelt bis verdreifacht, auch in Asien stiegen viele aufs Zweirad um.

Boom reißt nicht ab

Das Interesse reiße auch heuer nicht ab, sagt Schwarting: "Viele standen gleich nach der Wiedereröffnung nach dem Lockdown am 8. Februar vor der Tür ihres Fachhändlers. Noch nie sind im Februar so viele Fahrräder verkauft worden wie heuer." 400.000 neue Bikes wurden im Vorjahr hierzulande verkauft, weit über die Hälfte davon produzierte KTM. 450.000 werden es wohl heuer werden, schätzt Schwarting. Gäbe es nicht den Engpass bei den Rädern, hätte der Absatz auf 480.000 steigen können, meint Schwarting.

Hans-Jürgen Schoder, Geschäftsführer des Welser Großhändlers Thalinger Lange und Sprecher der Arge Fahrrad, bestätigt die Nöte in der gesamten Branche. Auch wenn Assemblierer ihre Kapazitäten aufgrund der gestiegenen Nachfrage erhöht hätten, die Schwächen bei einzelnen Gliedern der Lieferketten würden wohl noch die nächsten ein bis zwei Jahre anhalten, sagt Schoder. Teilweise würden Komponentenhersteller aufgrund von Corona-Clustern etwa in Shimano-Fabriken in Malaysia oder anderswo in Asien Teile ihrer Fabrik stilllegen.

Dazu kommt, dass es an freien Containern mangelt. Angesichts des Umstands, dass gut die Hälfte der Einzelteile aus Asien importiert wird, kein unbedeutender Faktor. "Wir müssen derzeit oft auf Luftfracht umsteigen", sagt Schoder.

Dass viele Komponenten für die Fahrräder aus Asien kommen, sorgt derzeit für Probleme.
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Die Frachtkosten hätten sich vervielfacht, bestätigt Sport-2000-Mann Schwarting. Manche Hersteller hätten die höheren Logistikkosten geschluckt, andere geben sie weiter. Zwischen fünf bis zehn Prozent seien Räder zum Teil teurer geworden. Wurde bislang mit 999 Euro bepreist, steht nun oft 1.049 auf dem Schild. Auch bei kleinen Verschleißteilen fallen die höheren Kosten ins Gewicht.

Knausrig seien die Kunden bei neuen Fahrrädern aber ohnehin nicht, sagt Schwarting. Ungebrochen sei der Trend zu E-Bikes, auch teurere Leichtfahrräder etwa für Kinder seien gefragt. Rund ein Viertel der 400.000 Räder, die im Vorjahr verkauft wurden, waren strombetrieben. Auf 40 bis 50 Prozent könnte der Anteil in den kommenden Jahren steigen. Ob E-Bike, Moutain- oder Citybike: Schwarting rät, sich das Objekt der Begierde rechtzeitig zu sichern. Auch wenn laufend nachgeliefert werde – wer sich entschieden habe, tue gut daran zu reservieren. Viele Räder waren in der ersten Welle der Auslieferungen schnell vergriffen.

Auf dem Trockenen

Der Großhändler Thalinger Lange, der auch Shimano-Distributeur ist, hat für das Jahr 2022 schon 95 Prozent der Ware eingekauft, auch für das Jahr darauf habe man sich bereits bis zu 70 Prozent eingedeckt, sagt Geschäftsführer Schoder.

Fahrradhändler, die nicht schon im Mai, Juni oder Juli des Vorjahres ihre Ware geordert hätten, säßen heuer wohl auf dem Trockenen. So mancher Händler habe bereits angedeutet im Sommer drei Wochen zuzusperren, sagt Schoder. Ähnlich wie im Vorjahr, als viele Händler schon im Sommer leere Lager hatten, dürfte also auch heuer so manchem die Ware ausgehen. (Regina Bruckner, 22.3.2021)