Eines der frühen Embryostadien – die Blastozyste – einer Mensch-Affen-Chimäre.
Bild: Weizhi Ji, Kunming University of Science and Technology

Die kontroverse Neuigkeit wurde vor zwei Jahren international heftig diskutiert: Der spanische Wissenschafter Juan Carlos Izpisua Belmonte hatte berichtet, Mensch-Affen-Embryonen gezüchtet zu haben, die sich teilweise länger als zwei Wochen in Petrischalen entwickelten. Nun reicht der Forscher vom renommierten Salk Institute im kalifornischen San Diego mit einem internationalen Forschungsteam die entsprechende Studie im Fachjournal "Cell" nach.

Um die sogenannten chimären Embryonen zu erzeugen, züchteten die Forschenden Embryonen einer Makaken-Art, der Javaner-Affen, zunächst für sechs Tage. Dann pflanzte man ihnen 25 menschliche Stammzellen ein, genauer: erweiterte pluripotente Stammzellen, die extrem wandlungsfähig sind. Bei drei Embryonen gelang dieser Schritt so gut, dass sie noch am 19. Tag lebensfähig waren.

Mechanismen unklar

Im Rahmen der publizierten Studie gelang es dem Forschungsteam, insgesamt 132 Embryonen mit menschlichen Stammzellen zusammenzuführen. Dabei "integrierten" die Stammzellen in verschiedene Zellschichten der Chimären und trugen damit zu essenziellen Entwicklungsschritten bei. Ein Großteil dieser Embryonen entwickelte sich für weitere neun Tage in der Petrischale. Nach zehn Tagen entwickelten sich offenbar noch 103 der chimären Embryonen. Danach sank die Überlebensrate stark ab – bis zu den drei Embryonen am 19. Tag.

"Die Daten zeigen, dass der Hintergrund eines Affenembryos die Differenzierung menschlicher Zellen deutlich beeinflusst", sagt Stefan Schlatt, Direktor des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie an der Uniklinik Münster, der an der Studie nicht beteiligt war. Überraschend sei dabei, dass die Menschenzellen sehr unterschiedlichen Mechanismen folgen. Um dahinterstehende Regeln zu erkennen, wäre allerdings weitere Forschung nötig.

Die Ziele der Forschungen

Konkretes Ziel des Projekts war es, das genetische Programm einzelner Zellen der Embryonen zu untersuchen. Dabei war für die Forschenden besonders interessant, wie die integrierten menschlichen Zellen mit denen der Makaken-Embryos während der frühen Embryonalentwicklung interagierten. Die Ergebnisse verglichen sie molekular mit denen von jeweils "reinen" Menschen- und Affenembryonen.

Die langerwarteten und ethisch kontrovers diskutierten Forschungsbefunde stellen für das Feld der Chimärenforschung eine erhebliche Weiterentwicklung dar: Bis dahin war es nämlich nicht gelungen, chimäre Embryonen aus Zellen von Mäusen und Menschen oder Schweinen und Menschen intakt zu halten. Die hier verwendeten Embryonen der Makaken stehen dem Menschen evolutionär aber näher, was den Erfolg der Forschung begründen könnte.

Warum aber wird überhaupt an solchen Chimären im Frühstadium geforscht? Durch die neuen Erkenntnisse zur Interaktion der Zellen will das Team um Izpisua Belmonte die Entwicklung von "Kombinationen" mit evolutionär weiter entfernten Spezies wie dem Schwein verbessern. Und in diesen Mischwesen sollen dann zum Beispiel menschliche Organe zur Transplantation heranreifen oder neue regenerative Therapien erprobt werden können.

Ethische Rahmenbedingungen

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, und die Grundlagenforschung anhand von Chimären ist ethisch insbesondere bei Affe-Mensch-Mischwesen umstritten. Solche Versuche sind grundsätzlich nicht nur in den USA und China möglich, wo das Forschungsteam dieser Studie vor allem arbeitete: "Im deutschsprachigen Raum ist die Forschung an Chimären prinzipiell erlaubt", sagt Stefan Schlatt.

Zum ethischen Vorgehen gehören natürlich bestimmte Bedingungen: Es muss strikt ausgeschlossen werden, dass aus den Embryonen ganze Organismen entstehen oder menschliche Keimzellen in chimären Kultursystemen gebildet werden. Stattdessen darf es nur darum gehen, die Bildung von Geweben und Organen während der frühen Embryogenese besser zu verstehen: "In diesem Sinne ist die vorliegende Studie ein Paradebeispiel, da mit den angewendeten Methoden eine angemessene Beobachtung der embryonalen Frühentwicklung gelingt ohne das Risiko, einen vollständigen Organismus zu erzeugen", sagt Schlatt.

Diskussion über Instrumentalisierung

Das Thema ist freilich ein sensibles, weshalb Schlatt wie viele Experten zu einer informierten Diskussion in der Gesellschaft aufruft. Michael Coors, Leiter des Instituts für Sozialethik an der Universität Zürich, verweist dabei auf zukünftige Aspekte: "Wesentliche ethische Fragen richten sich vor allem auf das Fernziel dieser Forschung: Nämlich die Erzeugung von Tier-Mensch-Chimären, in denen menschliche Organe heranwachsen, die für schwerkranke Menschen als Transplantate verwendet werden können." Damit könnte zwar vielen schwerstkranken Menschen geholfen werden, man dürfe dabei aber die Instrumentalisierung der verwendeten Tiere oder Chimären und deren potenzielles Leiden nicht vergessen.

"Weitgehend unklar ist zudem, ob und in welchem Maße das Risiko besteht, dass menschliches Erbgut zum Beispiel auch in die Keimbahn der Chimären eindringt oder deren Gehirnentwicklung beeinflusst", sagt Coors. Die neue Studie schaffe hier erste Grundlagen zur weiteren Erforschung dieser Risiken. Angesichts der ethischen Problematik bestehe aber außerdem ein dringender rechtlicher Regelungsbedarf für diese Art der Forschung, auch in Europa. (Julia Sica, 15.4.2021)