"Schlafe niemals mit jemandem, dessen Probleme größer sind als deine eigenen", lässt Ross Macdonald, legendärer US-Krimiautor, seinen Privatdetektiv in Schwarzgeld sagen. Ein Rat, den man sich zu Herzen nehmen könnte. Doch leider: Die Vernunft ist eine verdammte Spielverderberin.

Was, fragen wir Lebenshungrige, ist der Mehrwert von "Alles richtig gemacht", außer einer niedrigen Versicherungsrate? Man trifft sie ja hin und wieder, diese geradlinigen Menschen – Matura, Studium, Heirat und dann zwanzig Jahre in der gleichen Firma. In der Theorie klingt das gemütlich. Doch unsere Praxis ist komplex.

Bipolar ist heiß

Wer den gewissen Thrill im Leben will, den lockt das Mysteriöse, das Unberechenbare. Den interessiert nicht der brave, gesunde Mensch, sondern das Entdecken von Abgründen.

Das weiß auch die TV-Industrie – und lässt ihre spannendsten Protagonisten unter schweren Persönlichkeitsstörungen agieren: Sheldon Cooper in The Big Bang Theory ist Autist, Frank Gallagher in Shameless bipolar, Saga Norén ermittelt in Die Brücke mit Asperger, Carrie Mathison in Homeland mit psychotischen Schüben ... Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden.

William H. Macy (Mitte) spielt in Shameless den bipolaren Frank Gallagher. Die elfte und letzte Staffel startete am 12. April auf FOX, in Österreich und Deutschland ist die Serie auf Sky zu sehen.
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Und wir? "Ich komme leider nicht auf Touren, wenn mir der nette Kinderarzt nach Dienstschluss ein Risotto Cipriani zaubert", erklärt mein Freund Robert kategorisch. Er fixiert sich jetzt lieber auf einen Tatortreiniger mit schwerer Inselbegabung: "Mein Liebster antwortet auf keine SMS und ruft selten zurück. Aber wenn wir uns sehen, ist es ein einziges Feuerwerk."

Gebietsverlagerung

Natürlich geht es hier nicht um pseudooriginelle Hipster, die sich noch schnell die Wuschelhaare richten, bevor sie an der Wohnungstür klingeln. Es geht um ernste Themen wie Waschzwang, nervöse Plapperitis oder Berührungsangst. Aufgeschlossene Zeitgenossen betrachten diese Neurosen ihres Gegenübers nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung.

Der Versuch: gemeinsame Entspannung durch Verlagerung der Kommunikation in die Horizontale. Oder, wie Robert den delikaten Vorgang beschreibt: "Man ist heilfroh, wenn man endlich ins richtige Gebiet übersiedelt. Nach dem Wahnsinn ist der körperliche Vorgang das Paradies."

Gefahr im Verzug

Wie bei allen Aufregungen ist die Grenze zwischen Spiel und Absturz dünn. Dringend in Acht nehmen sollte man sich vor Leuten, deren Nerven so zerrüttet sind, dass sie wie ein aufgeklapptes Rasiermesser durch die Gegend rennen. Da gibt es keine Empathie. Da kommt man sofort in Geiselhaft. (Ela Angerer, RONDO, 9.5.2021)