Hat der Mensch ein Recht auf Tanzen? Es ist ein eigenartiges Gefühl, nur zwei Tage nach dem Ende des harten Lockdowns in einen Club zu gehen. Auch mein Taxler ist verwundert, als ich ihm die Zieladresse nenne: "Pratersauna, bitte!" Schon bevor Corona kam, hat man sich ein bissl geniert, wenn man sich im vollen Bewusstsein an einen Ort begibt, an den es auch um 20 Jahre Jüngere zieht. Ich habe das Gefühl, dass die vielen Lockdowns den Rückzug in die eigenen vier Wände bei vielen meiner Altersgenossen nun endgültig als Lifestyle etabliert haben.

Und jetzt als Obershäubchen dazu: Corona-Scham. Luxusproblem-Scham. Erste Welt-Sorgen-Scham. Dieses subtil schlechte Gewissen, dem Feierinstinkt nachzugeben, etwas zu tun, das in keiner Weise notwendig ist. Tanzen gehen ist nicht systemrelevant. Der Wirt hingegen ist Identität. Die Wiedereröffnung der Gastro wurde bis ins Äußerste zelebriert. Unzählige Fotos von hübsch angerichteten Speisen fluteten das Netz, Politiker und Politikerinnen ließen sich volksnah im Lieblingsbeisl in Szene setzen. Aber ich traue mich in dieser Nacht nicht mal richtig auszuformulieren, wohin es mich zieht, geschweige denn Bilder davon zu posten.

Ausgelassenes gemeinsames Feiern trotz Corona: Die erste offizielle Clubparty nach dem Lockdown fand in der Pratersauna statt.
Foto: https://www.testfrwd.me

Ist die Party überhaupt legal? Ja, ist sie, denn das erste Test-Fest endet um 22 Uhr und hält sich an alle aktuellen Richtlinien. Fixe Tische, Registrierung, Maske auf dem Weg zum Klo, limitierte Gästeanzahl, Magistrat anwesend. Open Air. Man geht sogar einen Schritt weiter: Ohne Test darf man wirklich nicht hinein, dafür sorgt eine Heerschar an Personal. Derlei wird – so viel Ehrlichkeit muss sein – in der Gastro nur bedingt exekutiert.

Tanz der Gefühle

Trotzdem fühlt sich das Feiern zunächst falsch an. Jedenfalls zu Beginn. Wenn man das erste Mal nach eineinhalb Jahren mit völlig Fremden und ein paar Bekannten ziemlich laute Musik hört, über Belanglosigkeiten redet und merkt, wie langsam Schwung in die Masse kommt, kann das Gefühlsleben schon mal ordentlich in Wallung geraten.

Als ich später in der Dämmerung vor dem DJ-Pult stehe und in lächelnde, befreite Gesichter blicke, fällt das Schamgefühl. Man sieht sich in die Augen, man ist vereint im Sound – so kitschig das jetzt auch klingen mag. Alter wurscht, Aussehen wurscht, Herkunft wurscht, alles wurscht. Richtig tanzen, des Tanzens wegen. Hüftwackeln statt Jogginghose. In einem Club, der nur dazu dient. Anders als in meinem Wohnzimmer, das mir nun eineinhalb Jahr als einzige Tanzfläche diente. Das macht glücklich.

Mit QR-Code auf die Party

Glücksermöglicher sind bei dieser ersten offiziellen Clubparty nach dem Lockdown die Veranstalter Hennes Weiss und Veit Aichbichler von testFRWD. Weiss kennt man als Macher des Lighthouse-Festivals in Kroatien, in Wien eröffnete er 2020 sein jüngstes Dance-&-Dine-Projekt "Praterstrasse". Dass dieses nach weniger als zwei Wochen wieder schließen müssen würde, hätte niemand geahnt. Ich auch nicht, und ich war dort.

Es war das letzte Fest, bevor uns die Pandemie überrollte, uns aufs Wesentliche reduzierte, uns in bürgerliche Brotbacker, Bio-Gemüse-Besteller und Baummarkt-Stürmer verwandelte. Das letzte Fest, bevor unsere Gesellschaft mit dem Virus in eine kollektive Masse aus Dünnhäutigkeit und Angst mutierte und dann in einzelne Befindlichkeiten zerfiel. Wird eine Rückverwandlung funktionieren? Oder bleibt Tanzen – zumindest in unseren Köpfen – verboten?

Ermöglicht wurde die erste Clubparty von den Veranstaltern Hennes Weiss und Veit Aichbichler von testFRWD.
Foto: https://www.testfrwd.me

Veit Aichbichler, der zweite Partyretter, ist zuversichtlich, dass Normalität wieder zu Realität werden kann, wenn auch unter gewissen Voraussetzungen. Der Multitasker mit Sales- und Gastro-Vergangenheit war es, der mir bereits im April 2020, mitten in der ersten kollektiven Angstwelle, von seiner Idee erzählte, es mittels Corona-Tests zu ermöglichen, nicht nur ein ziemlich normales Leben zu führen, sondern auch ausgehen zu können. Das erschien mir damals absurd. Und doch hielt ich kurz darauf mein erstes Home-PCR-Testkit in Händen, das anfangs noch in den Regalen einer Drogeriemarktkette vergammelte und später in Wien unter "Alles gurgelt" gefeiert wurde.

Online zum Ergebnis, mit QR-Code auf die Party – 2021 soll uns nun der bewährte Prozess den Hintern retten, also jenen Hintern, den man noch vom Sofa bekommt. Der Pre-Party-Security-Check ist durch und durch digitalisiert – damit kennt sich Aichbichler, der dafür mit dem Virologen Christoph Steininger zusammenarbeitet, bestens aus.

Dieses Wochenende ist es so weit: Weiss und Aichbichler launchen "identyME" in der Pratersauna. Das Sicherheitskonzept mit Gesichtserkennung, Time-Stamp und API-Schnittstelle ist die Basis für ein globales Eintrittstest-und-Reise-Zertifikat. Neben einer EU-weiten Anbindung an den grünen Pass steht die Zusage für die Integration in den globalen IATA-Travel-Pass wie auch in die Schnittstellen zu vielen großen Ticketing-Plattformen im Eventbereich, Stadien und diversen Entry-Apps.

Die Testparty war eine Herausforderung an Lustgefühl und Angstgefühl gleichermaßen. Bizarr fühlt es sich an, auch noch am Tag danach. Für mich aber bleibt das Feiern eine Form von Kultur. Tanzen zu gehen, das ist eine Mischung aus der Freude an der Bewegung zur Musik und dem ungehemmten Austausch mit anderen Menschen – ohne jedem partout seine Meinung aufs Aug drücken zu wollen. Tanzen verbindet. Werden wir gut brauchen können. Als letztes Lied wird in dieser Nacht übrigens ein Remix der Sängerin Anastasia gespielt: "Just show me the way to get my life again." (Janina Lebiszczak, 25.5.2021)