Die deutschen Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck wollten eigentlich im Gleichschritt Richtung Kanzleramt marschieren.

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Die Grünen und das Thema Waffen – das war immer schon sehr heikles Terrain. Dass sich daran nichts geändert hat, muss Parteichef Robert Habeck gerade erfahren.

Er war in den vergangenen Tagen in der Ukraine. Dort traf er mit Präsident Wolodymyr Selenskyj zusammenundbesuchte, mit Sicherheitsweste und Stahlhelm ausgestattet, die Frontlinie in der Ostukraine, wo Regierungstruppen den prorussischen Separatisten gegenüberstehen.

Und Habeck stellte eine Forderung auf, die natürlich auch in Deutschland gehört wurde und dort für Aufregung sorgt. "Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung, Defensivwaffen kann man meiner Ansicht nach der Ukraine schwer verwehren."

Gegen geltende Richtlinien

Eigentlich treten die Grünen für eine strenge Exportpolitik ein. Im Entwurf für das Wahlprogramm heißt es, man wolle "mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete" beenden. Zudem läuft Habecks Aussage den geltenden Rüstungsexportrichtlinien der deutschen Regierung zuwider.

Diese verbieten die Genehmigung von Rüstungslieferungen in Länder, "die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht". Die ursprüngliche Fassung geht auf den damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und seinen grünen Außenminister Joschka Fischer zurück.

Widerspruch von Trittin

Entsprechend stieß Habecks Aussage in Deutschland auf Kritik. Ex-Grünen-Chef Jürgen Trittin sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Waffenexporte in die Ukraine würden unserem Grundsatz widersprechen, dass wir keine Waffen in Kriegsgebiete exportieren. Die bisherige gemeinsame europäische Position ist, dass der Konflikt in der Ukraine nur politisch zu lösen ist und nicht militärisch."

Eine Abfuhr kam auch von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: "Die Forderung, der Ukraine sogenannte Abwehrwaffen zu liefern, ist leichtfertig und unterstreicht erneut, wie wenig regierungsfähig und unaufrichtig die Grünen derzeit auftreten", sagte er dem Spiegel.

Keine Anfrage der Ukraine

Und Steffen Seibert, der Sprecher der deutschen Regierung, stellte klar: "Wir verfolgen eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik und erteilen im Hinblick auf die Ukraine keine Genehmigungen für Kriegswaffen." Laut dem Außenministerium liegt derzeit auch keine Anfrage der Ukraine nach Waffenlieferungen vor.

Nach der Kritik verteidigte Habeck seinen Vorstoß und betonte: "Die Ukraine kämpft hier nicht nur für sich selbst, sie verteidigt auch die Sicherheit Europas." Er sprach dann aber nicht mehr von Unterstützung mit Waffen, sondern über "Nachtsichtgeräte, Aufklärungsmittel, Kampfmittelbeseitigung, Medivacs". Das alles liefere Deutschland nicht, was er klargestellt habe, so Habeck.

Baerbocks Klarstellung

Natürlich kam das Thema auch zur Sprache, als Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Mittwochabend zu Gast in der ARD-Talksendung von Sandra Maischberger war. Baerbock stellte klar, dass die Grünen gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete seien, und sagte mit Blick auf Habeck: "Das steht auch in unserem Programm, und das sehen wir als Parteivorsitzende beide so."

Die Causa wird wohl auch auf dem Parteitag thematisiert. Bei einem solchen kann es, wenn die pazifistische Basis grollt, mitunter heftig zugehen. Joschka Fischer wurde 1999 ein roter Farbbeutel an den Kopf geworfen, der ihm das Trommelfell zerriss. Der Werfer protestierte mit seinem Angriff gegen den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo. Es war der erste Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach 1945.

Bonus selbst bewilligt

Baerbock musste sich bei Maischberger übrigens auch für einen steuerfreien Corona-Bonus in Höhe von 1500 Euro rechtfertigen, den sie der Bundestagsverwaltung zu melden vergessen hatte. Sie räumte ein, sich diesen selbst als Parteichefin im Bundesvorstand bewilligt zu haben.

Den Vorschlag, das Geld zu spenden, lehnte sie ab, betonte aber, dass ihr der Vorfall "sehr, sehr leid" tue. (Birgit Baumann aus Berlin, 27.5.2021)