Auch gegen Bernhard Bonelli, Kabinettschef im Kanzleramt, wird wegen Falschaussage ermittelt. Er bestreitet die Vorwürfe

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Paragraf 288 im Strafgesetzbuch ist kurz und bündig: "Wer vor Gericht als Zeuge (...) falsch aussagt, ist mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen." Absatz drei regelt, dass das auch für U-Ausschüsse in Bund und Ländern gilt. Genau das wird nun für immer mehr Politprominenz zum Problem, vom Kanzler abwärts.

Betroffen ist beispielsweise auch sein Kabinettschef Bernhard Bonelli. Wieder einmal geht es bei den Verdachtsmomenten um die Staatsholding Öbag und deren Aufsichtsrat und Alleinvorstand Thomas Schmid. Wer wurde wann wo informiert? Vor dem U-Ausschuss beantwortete Bonelli die Fragen sehr formalistisch: Er habe "mitbekommen, wer bestellt wurde, aber der konkrete Bestellungsprozess ist eine Aufgabe des Finanzministeriums"; er sei "informiert" worden, "welche Entscheidungen hier getroffen wurden".

Wie beim Kanzler will die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Chatnachrichten Widersprüche dazu gefunden haben: beispielsweise einen gemeinsamen Termin von Kurz, Bonelli und Schmid im Herbst 2018, bei dem sie laut Schmid "wegen den Aufsichtsräten" sitzen. Oder eine Nachricht Bonellis an den damaligen Finanzminister Hartwig Löger: Er leitete die Kontaktdaten von Manager Helmut Kern weiter, der wurde dann Öbag-Aufsichtsratsvorsitzender.

Das "Setup" im Kabinett passt

Ebenso wirft die WKStA Bonelli vor, dass er angab, nicht zu wissen, wer die Kabinettsmitglieder im Finanzministerium ausgesucht hat. Chats zeigen, dass Bonelli nach dem Abgang von Kabinettschef Thomas Schmid zur Öbag mit Löger über mögliche Nachfolger sprach und vermittelte, das "Setup" im Kabinett passe für Kurz, Gernot Blümel und ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior.

Die WKStA wirft Bonelli vor, dem U-Ausschuss nicht alles gesagt zu haben, was er wusste. Bonelli verweist im Gespräch mit dem STANDARD darauf, dass er im U-Ausschuss zu vielen Themen befragt worden und die Öbag nur am Rande aufgekommen sei. Er habe dabei versucht, auf die formalen Zuständigkeiten und Prozesse zu verweisen, wie sie in den Gesetzen geregelt seien – und in puncto Löger-Kabinett habe die Frage für ihn einen anderen Sachverhalt angesprochen, als es die WKStA nun darzustellen versuche.

Nicht nur der Kanzler und sein Vertrauter werden der Falschaussage verdächtigt: Auch Bettina Glatz-Kremsner, ehemalige ÖVP-Vizeparteiobfrau und Chefin der Casinos Austria AG (Casag), ist Beschuldigte in einem solchen Verfahren. Bei ihr geht es um den Verdacht, dass sie sowohl vor dem U-Ausschuss als auch als Zeugin vor den Ermittlern falsch ausgesagt habe. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Vorwürfe gegen Casinos-Chefin

Diskrepanzen gibt es laut WKStA etwa rund um ihr Verhältnis zu Thomas Schmid, den sie angeblich schon anderthalb Jahre vor dem von ihr genannten Datum gekannt habe. Als Beschuldigte erklärte sie in einer Aussage nun, dass Schmid immer wieder bei Terminen mit dem Finanzminister dabei gewesen sei und sie auch per Du mit ihm gewesen sei. Allerdings sei sie das mit "sehr vielen Leuten", und das sei "noch kein Indiz für eine freundschaftliche Beziehung". Zu ihrem 55. Geburtstag etwa habe sie zwar ein größeres Fest veranstaltet, wäre aber "nie auf den Gedanken gekommen", ihn einzuladen.

Die Ermittler interessierten sich auch für Emojis: Ob sie Personen, die sie "nur im beruflichen Kontext" kenne, Kuss-Smileys schicke? Das sei "mittlerweile" auch bei "engerem beruflichem Kontakt nicht ganz unüblich". Bei Schmid, dem sie Kuss-Smileys schickte, sei das berufliche Verhältnis "sicherlich intensiver" gewesen. Letztlich wurden die Ermittler sehr direkt: Ob sie das private Naheverhältnis zu ihm habe "verbergen" wollen? Die Managerin verneinte, übernahm für die "unpräzise Formulierung" die Verantwortung und würde "auch heute nicht behaupten, dass er ein Freund" von ihr wäre.

Zudem sieht die WKStA Widersprüche rund um die Hauptversammlung der Casag im Sommer 2018. Als Zeugin konnte sich Glatz-Kremsner nicht erinnern, mit Vertretern der Republik in diesem Kontext Gespräche geführt zu haben. Es gehe da aber auch um keine Vorstandsangelegenheiten. Am Tag nach der Hauptversammlung gratulierte ihr Schmid allerdings: "Du hast das so genial koordiniert." Die Casinos-Managerin antwortete: "Viribus unitis, lieber Thomas!!!!"

Der Kanzler als Beschuldigter: Ein Sturm im Wasserglas oder der Anfang vom Ende? Um diese Frage geht es auch im aktuellen Videotalk "STANDARD mitreden". Mit dabei neben Imgard Griss, Andreas Khol und dem Strafrechtler Robert Kert war auch jener Jurist, der in einem Gutachten für die ÖVP Sebastian Kurz entlastete. Wie kam es dazu?
DER STANDARD

Als Beschuldigte wiederholte Glatz-Kremsner, sie habe da nichts beeinflussen können und habe "so gut wie möglich versucht", die Hauptversammlung "gut und ruhig" über die Bühne zu bringen. So habe sie beispielsweise alles getan, um Räume zur Verfügung zu stellen; erstmals sei eine Abstimmungssoftware installiert worden. All das sei für sie als Vorstand "etwas Neues" gewesen. Die Eigentümerversammlung muss ein erhebliches Durcheinander geworden sein: Im Vorfeld war bekannt geworden, dass die tschechische Sazka nur eigene Leute in den Aufsichtsrat schicken wollte. Das lief den Interessen von Öbib und Novomatic zuwider. Die Eigentümer hätten bei der Sitzung "in unterschiedlichen Konstellationen" miteinander gesprochen; es war "ein chaotischer Prozess", sagte die Managerin aus. Sie habe nur versucht, Ruhe und Sachlichkeit hineinzubekommen. Wie war das mit den vereinten Kräften, "viribus unitis"? Das sei wohl "ein höflicher Spruch gewesen".

"Du wirst dort CEO!"

Sie wisse "nicht mehr genau", was sie damit gemeint habe, "wahrscheinlich, dass man diese schwierige Situation gemeistert hat". Offenbar hatte man sich in der Casag die Latte nicht allzu hoch gelegt – denn auf die Frage, was auf der Hauptversammlung so gut gelaufen sei, antwortete die Managerin, dass es "nicht in einer Eskalation geendet hat". Glatz-Kremsner wurde dann am 28. März 2019 zur Vorstandsvorsitzenden des Konzerns. Schmid hatte ihr dazu schon im Herbst 2018 geschrieben: "Du wirst dort CEO! Das MUSS klappen." Warum sie dann bei ihrer Zeugeneinvernahme verneint habe, Signale der Unterstützung aus dem Finanzministerium bekommen zu haben? Glatz-Kremsner: "An diesen Chat habe ich nicht gedacht (...), da hätte ich bei genauerem Nachdenken wohl anders geantwortet. Das tut mir auch leid, ich habe nichts zu verheimlichen. Da übernehme ich die Verantwortung."

Viele Fälle auch abseits der ÖVP

Auch andere U-Ausschüsse brachten derartige Ermittlungen und Anzeigen hervor: Die ÖVP Burgenland verfasste eine Sachverhaltsdarstellung gegen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil wegen widersprüchlicher Angaben, wann er über den Crash der Commerzialbank informiert worden war. Deshalb wurde sogar kurzfristig Doskozils Mobiltelefon von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt sichergestellt. Es gilt die Unschuldsvermutung, Doskozil bestreitet die Vorwürfe.

Im BVT-Untersuchungsausschuss, der von 2018 bis 2019 lief, hatte es ebenfalls eine Reihe von anonymen Anzeigen gegeben; zum Beispiel gegen Peter Goldgruber, damals Generalsekretär von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), dessen Mitarbeiter Udo Lett sowie WKStA-Staatsanwältin Ursula Schmudermayer. Alle Verfahren wurden per Weisung von der Oberstaatsanwaltschaft Wien eingestellt.

Gar nicht zu Ermittlungen führte hingegen eine Aussageverweigerung des ehemaligen Wiener Bürgermeisters Michael Häupl in der Untersuchungskommission zum Krankenhaus Nord. Nach einem Telefongespräch mit Sonja Wehsely gefragt, gab dieser an, Telefongespräche "seien noch ärger als Vieraugengespräche", er werde "diese Frage nicht beantworten". Die Verfahrensrichterin ermahnte ihn darauf; Häupl antwortete: "Ich nehme die Rüge zur Kenntnis, ich kann mich nicht erinnern." Die ÖVP moniert nun, dass damals, im März 2019, keine Ermittlungen eingeleitet worden waren. (Renate Graber, Fabian Schmid, 30.5.2021)