Die heftig in die Kritik geratene Islam-Landkarte ist unter www.islam-landkarte.at vorübergehend nicht mehr abrufbar, die Suchfunktion fehlt. Sie solle aber zeitnah wieder online gehen, sagte Dokumentationsstellen-Direktorin Lisa Fellhofer dem Kurier. Der Zugang zu der Website werde nur noch über Registrierung möglich sein, erklärte zudem Mouhanad Khorchide, Leiter des Beirats der Dokumentationsstelle Politischer Islam im "Falter-Podcast". Und Projekt-Betreiber Ednan Aslan begründete die Einschränkung der Website mit einem Wechsel des IT-Betreibers.

Nach der Präsentation der Karte habe es zuvor schon Drohungen gegen Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) gegeben sowie gegen Mouhanad Khorchide, wie diese bekannt gaben.

Adressen für antimuslimische Warnschilder missbraucht

Das Projekt, das vom Institut für islamisch-theologische Studien der Universität Wien ausgearbeitet und von der Dokumentationsstelle Politischer Islam präsentiert wurde, wurde in den letzten Tagen von Unbekannten missbraucht. In der Nähe von muslimischen Einrichtungen brachten sie Schilder an mit der Aufschrift "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe", der Verfassungsschutz ermittelt.

Unbekannte montierten in der Nähe von Wiener Moscheen antimuslimische "Warnschilder".
Foto: Christian Fischer

Presseerklärung auf Website

Die Onlinekarte mit rund 600 Einträgen und Adressen sollte eine Übersicht über islamische Moscheevereine geben. Statt der Karte ist auf der Startseite derzeit ein Pressetext von Projektleiter und Religionspädagogik-Professor Aslan zu sehen: "Ich bedaure sehr, dass es in den letzten Tagen vermehrt zu politischer Instrumentalisierung gekommen ist und dass mittlerweile auch verschiedenste Rechtsextremisten den Zweck dieses Projektes völlig konterkarieren." Er hält aber auch fest, "dass zweifellos dringende Notwendigkeit an einer sachlichen Debatte über den Islam in Österreich besteht. Die Islam-Landkarte kann dazu einen sinnvollen Beitrag leisten."

Breite Kritik an Islam-Landkarte

An der Karte wurde von vielen Seiten Kritik geäußert. Zuletzt auch vom Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der zum STANDARD meinte, dass die Kartei eine gesellschaftliche Spaltung fördere.

Und die grüne Integrationssprecherin Faika El-Nagashi mahnte: "Es braucht jetzt eine Ruhephase, in der das Projekt offline genommen und grundlegend überarbeitet wird." Sicherheit, Datenschutz und der Dialog mit den Betroffenen müssten in die DNA dieses Projekts eingebaut werden." Die Landkarte sei zu einem ernst zu nehmenden Sicherheitsproblem geworden.

Am Donnerstag äußerte sich auch Kardinal Christoph Schönborn zum Thema. Bei aller berechtigten Vorsicht und Sorge um die öffentliche Sicherheit dürfe nie vergessen werden, dass jeder Mensch völlig unabhängig von Herkunft und Weltanschauung als Ebenbild Gottes "eine unzerstörbare Würde hat". Dazu gehöre auch der Respekt vor der "Gegenwart Gottes im Leben der anderen Religionen", sagte der Kardinal laut Kathpress. "Spaltung der Gesellschaft kann und darf nicht Ziel der Politik sein", heißt es wiederum deutlich unverblümter in einer Stellungnahme der Ordensgemeinschaften

Trotz der Kritik hat Integrationsministerin Raab die Karte weiter verteidigt. Sie sprach von "einer Art Service für Muslime im Land". So würden diese auch sehen, wo es extreme Einrichtungen gebe.

Identitären-Chef Sellner kündigt neue Islam-Landkarte an

Mit ihrer Aktion haben es die rechtsextremen Identitären ein Comeback in die Medien geschafft. Die Gruppe rund deren Sprecher Martin Sellner brachte am Mittwoch "Warnschilder" vor Wiener Moscheen und Vereinslokalen an, auf denen vor dem "politischen Islam" gewarnt wird und auf die kürzlich vorgestellte Islam-Landkarte verwiesen wird. Zusätzlich wurde auf Telegram-Channels inszenierte Fotos dieser Provokation veröffentlicht und "Patrioten in Österreich" aufgefordert, "die Gefahr öffentlich und die Islam-Landkarte sichtbar zu machen". Andere Rechtsextreme sollen also ebenfalls derartige Schilder aufstellen. Dafür werden die Vorlagen auf einer Webseite der Identitären zum Download bereitgestellt.

Offiziell bekennen sich Sellner und seine Gefolgschaft nicht zur Aktion. Auf den veröffentlichten Fotos sind zwar Gesichter mit Icons überdeckt, trotzdem sind Identitäre anhand ihrer Kleidung und anderer Merkmale erkennbar.

Der Aktionismus kam in der Szene gut an. Die in Oberösterreich erscheinende rechtsextreme Zeitschrift "Info Direkt" schrieb auf Telegram von einem "perfekten Zusammenspiel zwischen patriotischen Aktivisten und ÖVP-Ministerin". Damit war Integrationsministerin Raab gemeint.

Martin Sellner steuerte ein Video bei, darin sagte er, er hoffe, dass nun Bürgerinitiativen gegen Moscheen entstehen. Schließlich liefere die Islam-Landkarte ja die Adressen. Und er stellt die Frage, was die Nachbarn "verbrochen" hätten, dass sie neben einer "Moschee wohnen müssen". Begeistert zeigte sich Sellner, dass die Aktion im Krone.at-Forum bei einigen Lesern und Leserinnen gut angekommen ist.

Nachdem die Karte am Mittwoch nicht mehr abrufbar war, reagierte Sellner auf seinem Telegram-Channel. Die ÖVP sei "eingeknickt" und ihre Migrationspolitik "lächerlich und unglaubwürdig". Der "Kampf gegen die Islamisierung" werde nun "von anderen Parteien und Aktivisten" geführt. Auch sei geplant, eine neue Islam-Landkarte zu veröffentlichen. "Die Daten wurden natürlich längst vielerorts gesichert", ist auf Sellners Channel zu lesen.

Um die Identitären war es in den vergangenen Monaten ruhiger geworden. Ihre Demonstrationen floppten und weiterhin war die FPÖ offiziell um Abgrenzung bemüht, nachdem bekannt wurde, dass jener Rechtsextremist, der 51 Besucher und Besucherinnen von Moscheen in Neuseeland ermordete, zuvor Martin Sellner 1.500 Euro spendete. (Sandra Nigischer, Markus Sulzbacher, 3.6.2021)